Wenn es ein Wort gibt, das immer wieder fällt, wenn es um Wes Andersons Filme geht, dann ist das wohl idiosynkratisch, was so viel wie individuell oder alleinstehend bedeutet. Dem US-amerikanischen Regisseur wird in aller Regelmäßigkeit ein ihm ganz eigener Stil, eine einzigartige Herangehensweise ans Filmemachen attestiert. Da ist es schon fast selbstverständlich, dass seine Filme polarisieren: von denen einen werden sie als inhaltsleere, überstilisierte Kunst um der Kunst Willen abgetan, andere wiederum vergöttern Anderson für seine kontinuierliche Eigensinnigkeit, die sich wenig um das schert, was gerade „in“ ist in Hollywood oder sonst wo.

Idiosynkrasie ist bei dem Phänomen Anderson stets positiv konnotiert, aber Idiosynkrasie bedeutet nicht nur Individualität, ein Herausragen aus der Masse, sondern impliziert auch Unverständlichkeit, Unverstandensein, Einsamkeit. Umso weniger überraschend ist es, dass Andersons Werke mit all ihren skurrilen Charakteren, absurden Begebenheiten und dem allgegenwärtigen, verschrobenen Humor zwar oft als Gute-Laune-Garanten gelten, jedoch gleichzeitig von einer latenten Melancholie durchdrungen sind. Die Hauptrollen in seinen Filmen spielen neben immer wiederkehrenden Schauspielgrößen wie Bill Murray, Owen und Luke Wilson, Willem Dafoe oder Anjelica Houston dysfunktionale Familien und missverstandene Einzelgänger. Häufig werden die zentralen Konflikte von Isolation oder emotionaler Distanz ausgelöst, die sich nicht mehr kontrollieren lässt, sondern überläuft, sich Bahn bricht in das Leben. Manchmal lassen sich diese Probleme lösen; Andersons Geschichten steuern am Ende oft auf Versöhnung, auf Ausbrechen aus dem eigenen Gefühlskokon zu. Und manchmal eben nicht. Das ist das Schöne an seinen Filmen. In DER FANTASTISCHE MR. FOX (2009) ist für nur wenige Sekunden ein ganzer, eigens für den Film erstellter Zeitungsartikel sichtbar – nur ein Beispiel von vielen für Andersons berüchtigte, obsessive Detailverliebtheit – in dem steht: „Man sagt, dass viele Dinge aus gutem Grund geschehen, in Wirklichkeit tun sie das aber nicht. Sie passieren aus Jux und Dollerei und haben ihren Ursprung in grenzenlosem, unendlichem Chaos. Manchmal ist das unheimlich komisch, manchmal gleicht das eher einem Schlag ins Gesicht“.

Man könnte Andersons streng geordnete und durchkomponierte Bilder als Versuch werten, ein Gegengewicht zu dem innerlichen Durcheinander seiner Figuren zu setzen. Nicht einmal, um es auszugleichen und durch ein ähnliches Gewicht in der anderen Waagschale zu tilgen, sondern, um es zu kommentieren, um es zu komplementieren. Rigide, artifizielle Struktur, die auf eine verdrehte Art und Weise die Manifestation der emotionalen Verwirrtheit darstellt, da sich diese durch bloße Worte nur inadäquat, nur näherungsweise ausdrücken lässt. Gerade hier zeigt sich, dass in seinen Filmen mehr als bloß „Stil“ steckt, dass sie nicht nur oberflächlich durchkomponiertes „eye candy“, Futter fürs Auge sind, sondern ein waschechtes Herz unter dieser Oberfläche schlägt. In all ihrer visuellen Künstlichkeit sind Andersons Filme emotional „echte“ Filme; im Grunde stets nachvollziehbar, wenn auch nicht notwendigerweise im Einzelnen verständlich.

Stilistisch wirken seine Werke so gut wie immer aus der Zeit gefallen. Seit RUSHMORE (1998) folgen sie jeweils einer klaren, visuellen Linie. So wird RUSHMORE beispielsweise von den altehrwürdigen Hallen der privaten St. John’s School dominiert, an der Anderson selbst Schüler war. DARJEELING LIMITED (2007) spielt größtenteils in dem gleichnamigen Zug, der gut aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammen könnte und in GRAND BUDAPEST HOTEL (2014) sieht sich das Publikum in die fiktionale Republik Zubrowka vor dem Zweiten Weltkrieg versetzt. Alle seine Filme sind vollgestopft mit Audiokassetten, Magnetbändern, Plattenspielern, Radios und anderen analogen Medien, die eine Nostalgie erzeugen, die man nahezu greifen kann. Digitales sucht man vergeblich: keine Smartphones, nicht einmal ein halbwegs modern anmutendes Mobiltelefon, es wird mit den klobigen Vettern aus den 90ern oder per Münztelefon kommuniziert. Nostalgie ist genau genommen aber nicht die Sehnsucht nach einer erlebten, konkreten Vergangenheit, sondern nach einer Vergangenheit, die es so niemals wirklich gegeben hat. Die vergebliche Suche nach einer imaginierten Zeit, einem imaginierten Raum. Da verwundert es auch nicht, dass Anderson ein großer Fan von Miniaturgebäuden oder ganzen Landschaften ist, die alle noch per Hand in Kleinstarbeit gebaut werden. Computergenerierte Effekte sind ihm ein Gräuel, alles bleibt altmodisch, hat Substanz, wirkt manchmal ein wenig kauzig. Aber gerade das macht seine Filme so sympathisch, so unverstellt, so ehrlich.

Jaroslaw Jasenowski

Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Bottle Rocket

Fr / 03.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Grand Budapest Hotel

Sa / 04.06.2016 / 16:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Grand Budapest Hotel

Sa / 04.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Grand Budapest Hotel

So / 05.06.2016 / 16:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Bottle Rocket

So / 05.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Rushmore

Do / 09.06.2016 / 19:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Die Royal Tenenbaums

Fr / 10.06.2016 / 20:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Die Royal Tenenbaums

Sa / 11.06.2016 / 16:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Rushmore

Sa / 11.06.2016 / 20:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Die Royal Tenenbaums

So / 12.06.2016 / 16:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Der fantastische Mr. Fox - Originalfassung

Do / 16.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Die Tiefseetaucher

Fr / 17.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Der fantastische Mr. Fox - Originalfassung

Sa / 18.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Die Tiefseetaucher

So / 19.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Darjeeling Limited

Do / 23.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Moonrise Kingdom - Deutsche Fassung

Fr / 24.06.2016 / 17:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Moonrise Kingdom - Originalfassung

Fr / 24.06.2016 / 21:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Moonrise Kingdom - Deutsche Fassung

Sa / 25.06.2016 / 17:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Darjeeling Limited

Sa / 25.06.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Hommage an Wes Anderson

Darjeeling Limited

So / 26.06.2016 / 17:00 Uhr