Luchino Visconti (1906–1976) ist einer der herausragenden italienischen Regisseure des 20. Jahrhunderts, dessen Filme zu den Klassikern des italienischen Kinos zählen. Der universell gebildete Künstler, der neben 14 Spielfilmen bei 60 Theater-, Ballett- und Operninszenierungen in Italien, England und Frankreich Regie führte, verkörperte eine einzigartige Verbindung von Adel und Marxismus, sein marxistisches Geschichtsverständnis verband sich mit der elegischen Trauer über den Untergang tradierter Werte. Viscontis vielschichtiges melodramatisches Werk, das sich zwischen revolutionärer Hoffnung und existentialistischer Verzweiflung bewegt, ist von einer seltenen optischen Fülle, Musikalität und formalen Brillanz geprägt. Die ästhetische Perfektion und Opulenz tarnt dabei die Analyse der sozialen Verhältnisse und die Gesellschaftskritik. Die Helden sind zum Scheitern verurteilte Opfer ihrer Klasse.

Der 1906 in Mailand in eines der ältesten lombardischen Adelsgeschlechter geborene Luchino Visconti besuchte zunächst eine Kavallerieschule und betrieb eine Pferdezucht, ehe 1936 ein Parisaufenthalt und die Begegnung mit Jean Renoir sein Leben veränderten. Aus dem faschistischen Italien kommend, freundete er sich zu Zeiten der Volksfront in Frankreich mit Linksintellektuellen und Künstlern an und wurde selbst zum Marxisten. Seine Assistenz bei Jean Renoirs EINE LANDPARTIE (1936) wurde zur Schule in Formgefühl und sozialem Empfinden.

Viscontis erste eigene Regiearbeit OSSESSIONE, 1942 noch unter dem Faschismus gedreht, als dessen Widersacher er sich zeitlebens verstand, sprengte alle bisherigen Konventionen des italienischen Kinos, wurde vom Regime verstümmelt und verboten. Der Film gilt als Initialzündung des Neorealismus, Viscontis persönliches ästhetisches Manifest vom Herbst 1943 diente als Arbeitspapier für die Schule des Neorealismus „Was mich zum Film geführt hat, das ist vor allem das Bedürfnis, Geschichten von lebendigen Menschen zu erzählen, von Menschen, die inmitten der Dinge leben, und nicht von den Dingen selbst.“ Viscontis zweiter Film, der von einer Fischer-Revolte handelnde LA TERRA TREMA (1948), wird ebenfalls dem Neorealismus zugerechnet, als dessen prominentester Vertreter Luchino Visconti neben Vittorio De Sica und Roberto Rossellini gilt. BELLISSIMA (1951) markiert den Abschied vom Neorealismus und von der Idee einer lebbaren Volksfront, den Höhepunkt der mittleren Schaffensphase Viscontis bildet die sogenannte italienische Trilogie mit SENSO (1954), ROCCO UND SEINE BRÜDER (1960), DER LEOPARD (1963): drei melodramatisch ausgreifende Filme, die sich mit der Vergangenheit und Gegenwart Italiens beschäftigen und historisch-gesellschaftliche Bewegungen in Familiengeschichten spiegeln. Nach SANDRA (1965), einer modernen Version der „Orestie“, und der Camus-Adaption DER FREMDE (1967) realisierte Visconti mit der deutschen Trilogie DIE VERDAMMTEN (1969), TOD IN VENEDIG (1971) und LUDWIG (1973) ausladende, barocke Spätwerke, die mit italienischem Pathos ein deutsches Sterben zelebrieren: Die Absolutheit, mit der jeweils ein Lebensprinzip befolgt wird, führt konsequent in den Tod. Viscontis späte Filme sind reich ausgestattete, komplexe Kunstgebilde, Beschreibungen von Dekadenz und Hysterie und zugleich autobiografische Reflexionen über die Kunst und deren Untergang. Mit dem Kammerspiel GEWALT UND LEIDENSCHAFT (1974) kehrte Visconti ins Italien der Gegenwart zurück, um aktuelle faschistische Tendenzen der italienischen Gesellschaft zu thematisieren. Sein letzter Film DIE UNSCHULD (1976) spielt wiederum in der von ihm bevorzugt dargestellten Epoche des späten 19. Jahrhunderts.

Das Filmhaus zeigte vom 3. bis 20. November 2016 neun Filme Luchino Viscontis in der ungekürzten untertitelten Originalfassung.

Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Bellissima

Do / 03.11.2016 / 20:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Senso

Fr / 04.11.2016 / 20:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Bellissima

Sa / 05.11.2016 / 18:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Rocco und seine Brüder

Sa / 05.11.2016 / 20:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Rocco und seine Brüder

So / 06.11.2016 / 17:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Senso

Mi / 09.11.2016 / 20:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Sandra

Do / 10.11.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Tod in Venedig

Sa / 12.11.2016 / 17:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Die Verdammten

Sa / 12.11.2016 / 19:30 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Tod in Venedig

So / 13.11.2016 / 20:45 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Sandra

Di / 15.11.2016 / 19:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Die Unschuld

Mi / 16.11.2016 / 19:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Gewalt und Leidenschaft

Do / 17.11.2016 / 20:30 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Die Verdammten

Fr / 18.11.2016 / 20:15 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Tod in Venedig

So / 20.11.2016 / 11:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Gewalt und Leidenschaft

So / 20.11.2016 / 17:00 Uhr
Bild zur Veranstaltung
Retrospektive Luchino Visconti

Die Unschuld

So / 20.11.2016 / 19:15 Uhr