Wo, wann, mit wem?
Italo Cinema Festival
Seit einigen Jahren dauert die überfällige Wiederentdeckung Antonio Pietrangelis international und in Deutschland an – nicht zuletzt auch hier beim Italo Cinema Festival mit einer Aufführung von Ich habe sie gut gekannt letztes Jahr. Über diesen schrieb Thomas Groh: „Als hätte Michelangelo Antonioni sich an Erdbeersekt berauscht“ – das charakterisiert treffend die Position, die Pietrangeli biografisch und stilistisch einnahm als Grenzgänger zwischen dem im Neorealismus verwurzelten, italienischen Autorenkino auf der einen, und den populären Ausdrucksformen der commedia all’italiana auf der anderen Seite.
Pietrangeli hatte als Drehbuchautor unter anderem für Luchino Visconti und Roberto Rossellini den Neorealismus mitgeprägt, seine eigenen Filme als Autor-Regisseur ließen sich allerdings weder von den Dogmen einer Filmbewegung noch von starr ausgelegten Genre-Regeln in ein Korsett zwängen. Besonders Pietrangelis starker Fokus auf weibliche Charaktere war in dieser Konstanz, Aufrichtigkeit und Emotionalität einzigartig im italienischen Kino der späten 1950er und 1960er Jahre. Sexismus, moralische Doppelstandards und eine ökonomische Prekarität, die Frauen gerade sexuell vulnerabler machte, aber auch emanzipatorische Selbstbehauptung verhandelt Pietrangeli in seinen Tragikomödien aus spezifisch weiblicher Perspektive – nicht als trockenes Thesenkino, sondern als liebevoll geschriebene und charismatisch gespielte Charakterportraits.
Nach dem doppelten Leben Doras zwischen ihrem Heimatstädtchen und Parma (Catherine Spaak in Das Mädchen aus Parma), dem verbockten Hochzeitsanzeigen-Date Pinas (Sandra Milo in Der Ehekandidat), den Überlebensversuchen Adrianas im Großstadtmoloch Rom (Stefania Sandrelli in Ich habe sie gut gekannt) nun also Paola in Wo, wann, mit wem?, gespielt von Danièle Gaubert. Paola ist eine Frau, die zwischen der Liebe zu ihrem reichen Ehemann Marco (Philippe Leroy) und dem Begehren zu Marcos windigem Freund Alberto (Horst Buchholz) schwankt. Aus dieser wenig originellen Situation verführt Wo, wann, mit wem? das Publikum dank des kühlen und doch unwiderstehlichen Charismas Gauberts, der feurig-gierigen Blicke Buchholz’ und den idyllischen Postkarten-Settings Sardiniens zu einem schwindelerregenden Limbo zwischen heißem Begehren und melancholischem Weltschmerz. Komponist Armando Trovaioli macht Wo, wann, mit wem? wörtlich zu einem Melo-Drama, einem Musik-Drama: sein sensibler Score sublimiert den Film immer wieder zu reinem, großem Gefühlskino, auch ohne spektakuläre oder tragische Twists. Diese fanden leider hinter der Kamera statt: Pietrangeli verstarb vor Fertigstellung des Films mit nur 49 Jahren am 12. Juli 1968 bei einem Unfall. Wo, wann, mit wem? wurde von Valerio Zurlini fertiggestellt.
Originaltitel: Come, quando, perché
Land: Italien/Frankreich
Jahr: 1968
Länge: ca. 101 Min.
Regie: Antonio Pietrangeli
Musik: Armando Trovajoli
Kamera: Mario Montuori
Drehbuch: Antonio Pietrangeli, Tullio Pinelli, Martin Maurice
Darsteller: Philippe Leroy, Horst Buchholz, Danièle Gaubert, Elsa Albani, Liana Orfei
Kopienformat: 35 mm
Sprache: deutsche Synchronfassung
FSK: ab 16
Abendkasse: 6 €
Eintritt: 45 €Dauerkarte
Mehr in dieser Reihe:Kommkino e. V. präsentiert
90402 Nürnberg
Öffentliche Verkehrsmittel
barrierefreier Zugang
barrierefreies WCAufzug. Für jede Vorstellung sind zwei rollstuhlgerechte Plätze eingerichtet. Reservierungen dafür bitte per E-Mail an: filmhaus@stadt.nuernberg.de
