Seine filmische Schaffenszeit erstreckt sich mittlerweile auf über vier Jahrzehnte, seine große Zeit waren die 70er Jahre. Bei den letztjährigen Filmfestspielen in Venedig sorgte sein neuester Film FIRST REFORMED (2017) mit begeisternden Kritiken für Aufsehen, begonnen hatte Paul Schrader in der kreativen Phase des New Hollywood, bevor dort mit Blockbustern wie DER WEISSE HAI (1975) und KRIEG DER STERNE (1977) eine Zeitenwende eingeläutet wurde. Es war eine Zeit des kreativen Aufbruchs, in der viele künstlerische Filme entstanden, die, wie Paul Schraders Werke, direkt mit der Zeit korrespondierten und ihre Gesellschaft reflektierten, in der sie entstanden sind. Nach New Hollywood wurde es für den Autor und Regisseur schwieriger, seine Visionen filmisch umzusetzen. Das erfolgsorientierte kapitalistische Studiosystem spülte sein zunehmend randständiges Werk in immer größer werdenden Abständen nur ab und zu an eine wahrnehmbare Oberfläche. Darunter sind jedoch filmische Perlen unterschiedlicher Größe zu finden, die wir im Zuge der Präsentation seines neuesten Films wieder zugänglich machen wollen.

Paul Schrader, der am 22.7.1946 in Grand Rapids, Michigan, in eine streng calvinistische Familie geboren wurde, hat übers Schreiben begonnen, sich dem Kino zu nähern, als Kritiker, Essayist und Drehbuchautor. Er verfasste auch längere Abhandlungen – bekannt sind u. a. seine „Notes on Film Noir“ oder „Transcendental Style in Film: Ozu, Bresson, Dreyer“. Letzterer Titel bereits auf die Regisseure verweisend, die ihn in seinem Schaffen beeinflussten. Nachdem ihm Pauline Kael, die berühmte Kritikerin und Schraders Mentorin, zu einem Filmstudium an der renommierten University of California (UCLA) verhalf, wechselte Paul Schrader nach dem Vorbild der französischen Kritiker-Autoren-Regisseure der Nouvelle Vague zur Filmpraxis und schuf ab 1974 einige bedeutende Werke des US-Kinos – zunächst als Drehbuchautor u. a. von YAKUZA (1975), TAXI DRIVER (1976), WIE EIN WILDER STIER (1980), ab 1978 auch als Regisseur. Seine Filme wie BLUE COLLAR (1978), MISHIMA (1985), LIGHT SLEEPER (1992) oder zuletzt FIRST REFORMED (2017) gehören nicht zu Hollywoods Kassenschlagern (mit Ausnahme vielleicht von EIN MANN FÜR GEWISSE STUNDEN, 1980), sie zeugen aber von einer kreativen produktiven Beständigkeit, mit der Paul Schrader sein mit philosophischem Ernst ausgestattetes Werk Hollywood abgetrotzt hat.

Im Mittelpunkt von Paul Schraders Filmen stehen „Männer, die Amerika gemacht hat“, verstörte Außenseiter, „die mit vollem Körpereinsatz für ihr Stückchen vom großen Kuchen der Glücksversprechen kämpfen oder niedermähen, wer ihn ihnen streitig zu machen scheint – Kunstfiguren – der Wirklichkeit abgeschaut.“ (Verena Lueken). Bei Schrader ist allerdings der große amerikanische Mythos von der Befreiung durch die Tat in Frage gestellt; nur die Gnade, die von den Frauen ausgeht, kann seine Helden retten.

FIRST REFORMED schließt mit seiner bestechenden Hauptfigur, Ethan Hawke als Reverend Toller, an alle „in heilige Verzweiflung sinkende Schrader-Drifter an“ (Dominik Graf). Der Film erhielt in Deutschland keinen Verleih, wir stellten ihn daher in der Originalversion vor, ebenso wie andere Werke, die mittlerweile in einer digital restaurierten Fassung vorliegen. Unsere Kollegen vom Kommkino ergänzten die Reihe mit weiteren Titeln von Paul Schrader in analogen 35-mm-Kopien.