Der schwedische Dramatiker, Drehbuchautor, Theater- und Filmregisseur Ingmar Bergman (1918–2007), dessen 100. Geburtstag dieses Jahr weltweit mit Retrospektiven begangen wird, ist eine der überragenden Persönlichkeiten der Geschichte des Films. Bergman, der als Inbegriff eines philosophisch anspruchsvollen Autorenkinos gilt, wurde 1997 in Cannes mit der Ehrenpalme als „Bester Filmregisseur aller Zeiten“ ausgezeichnet. Das Filmhaus zeigte vom 6. September bis 2. Oktober 2018 14 Filme Ingmar Bergmans aus den Jahren 1952 bis 1983. Am 28. September hielt Prof. Dr. Thomas Koebner einen Vortrag über Ingmar Bergmans filmisches Schaffen.

Im Zentrum von Bergmans umfassenden Werk stehen existenzielle Themen wie der Tod, die Suche nach Gott und zwischenmenschliche Beziehungen. In seinen Filmen gibt es – mit seltenen Ausnahmen – wenig Personen und wenig Handlung. Die Zahl der Szenen ist meist ebenso eng begrenzt, wie die Zeit, von der erzählt wird. Statt für komplexe Handlungskonstellationen interessiert sich Bergman für die Konflikte im Inneren des Menschen. Im Mittelpunkt steht dabei das menschliche Gesicht, wichtigstes Gestaltungsmittel ist die Großaufnahme. Neben der Vorliebe für Naheinstellungen sind es besonders die Dialoge, der fast immer selbst verfassten Drehbücher, die Bergmans Filme maßgeblich prägen. In vertraulichen, oft geständnisartigen Mitteilungen über Gefühlsarmut, Liebesunfähigkeit, Einsamkeit und Entfremdung sowie die Sehnsucht nach Nähe in einer atomisierten Welt, erlauben die Personen einen Einblick in ihr Innerstes und zeigen somit, dass sie sich zumindest auf der Ebene der verbalen Äußerung von dem lösen konnten, das für ihr Leid wesentlich verantwortlich ist: der bürgerlichen Konvention.

Ingmar Bergman hat mehrfach in seinen Schriften die Bedeutung seiner bürgerlichen Erziehung, jenem „fruchtbaren Boden für Neurosen“, für sein Filmwerk betont. Die Erfahrung der Kindheit als „die Hölle des bürgerlichen Lebens und was daraus folgt“, hat sich in sein Schaffen eingeschrieben. Neben der wiederholten Thematisierung seiner frühesten Erinnerung, der Demütigung, ist in zahlreichen Filmen der Hass auf die eigene reaktionär-bürgerliche Herkunft präsent. Nahezu alle Filme enthalten Kritik an bürgerlichen Wertvorstellungen, und in den ersten zehn Jahren seiner filmischen Arbeit ist die Flucht eines jungen Paars vor der Enge der Gesellschaft ein immer wiederkehrender Topos.

Doch eine Analyse gesellschaftlicher Bedingungen war nicht Gegenstand von Bergmans filmischer Arbeit – weswegen er in den stark politisierten Zeiten der 60er und 70er Jahre, als der Regisseur seinen Fokus eher auf Glaubensfragen und innerpsychische Prozesse richtete, häufig angefeindet wurde. Bergman verteidigte sich mit dem Argument, dass „nicht-politische Kunst“ nicht unbedingt im Dienst des Bestehenden wirken müsse. Die Aufgabe seiner Filme sehe er vor allem darin, als Spiegel der Selbsterkenntnis zu dienen, und die Menschen ihren eigenen Gefühlen näher zu bringen.

„Es gibt trotz allem menschliche Relationen und Lebensäußerungen, die unabhängig von der sozialen Struktur unserer Gesellschaft existieren. Ich meine die Liebe, ich meine die Lebensangst und die Todesangst, Glauben und Zweifel, den Schmerz der Einsamkeit und die Freude der Sinnenlust, den unvernünftigen Hass und die unfassbare Bosheit, die Spielfreude und die Zärtlichkeit eines Augenblicks, das Mysterium des Leidens, Träume und Hoffnungen.

Es ist vielleicht eine Banalität zu behaupten, dass es eine der wichtigsten Aufgaben der Kunst ist, diesen so oft unterdrückten verstummten Gefühlen Ausdruck zu geben: das heißt, sich nicht nur mit den zeitgebundenen, sondern auch mit den ewigen Fragen zu beschäftigen.

Meine Furcht umfasst also die Verarmung der Gefühle, das Schweigen der Menschen, ihre heimlichen verborgenen Schmerzen. Ich glaube, dass der Film hier seine größte Aufgabe hat: Ich möchte, dass er ein Spiegel sein soll, in dem die Menschen sich selbst und einander erkennen. Ich möchte, dass er selbst die heimlichsten menschlichen Gefühle deutlich macht, Gefühle, die starke Kräfte in unserer Gesellschaft so leicht verleugnen.“ Ingmar Bergman, 1976