Der Regisseur, Schauspieler und Drehbuchautor Pietro Germi (1914–1974) war eine der herausragenden Persönlichkeiten in der goldenen Ära des italienischen Films der 40er bis 70er Jahre. Seine bekannteste Regiearbeit SCHEIDUNG AUF ITALIENISCH (1961) war der Beginn einer internationalen Schauspielkarriere für die damals 15-jährige Stefania Sandrelli. Das Filmhaus Nürnberg zeigte vom 1. bis 25.11.2018 acht Regiearbeiten von Pietro Germi sowie sieben Filme, in denen Stefania Sandrelli mitwirkt, darunter drei von Germi. Alle zwölf Filme wurden in der untertitelten Originalfassung als 35-mm-Kopien von Cinecittà, Rom präsentiert.

Pietro Germizählte neben Visconti, De Sica und Rossellini zu den Neorealisten der ersten Stunde. Germis Regiearbeiten stellen – ähnlich denen von Antonio Pietrangeli – ein Bindeglied zwischen dem Neorealismus und der Commedia all’italiana dar, „die nicht etwa deren Verrat, sondern vielmehr ihre volkstümlich satirische Fortsetzung ist“ (Gerhard Midding). Internationale Anerkennung und Bekanntheit erlangte Germi durch seinen dritten Film IM NAMEN DES GESETZES (1949), ein Meilenstein des Mafiafilms, gleichzeitig eine Reverenz an John Ford und Sizilien, wo der aus Genua stammende Germi insgesamt fünf Filme drehte. DAS ROTE SIGNAL (1956), DIE VERSUCHUNG (1958) und die Literaturverfilmung UNTER GLATTER HAUT (1959), in denen Germi auch als Hauptdarsteller agierte, etablierten ihn als bedeutenden Regisseur des italienischen Kinos. 1961 folgte der oscarprämierte Welterfolg SCHEIDUNG AUF ITALIENISCH als Auftakt einer Reihe sozialkritischer Komödien über italienische Sitten, Bräuche und Gesetze, die gegen die Diskriminierung der Frau und die Doppelmoral des Bürgertums polemisierten. Charakteristisch für Germis Filme sind die genaue Beobachtung des italienischen Lebens und seine Begeisterung für die Ausdruckskraft von Gesichtern. Das humanistische Weltbild des Regisseurs – für Otar Iosseliani „einer der edelmütigsten Filmemacher, die je existiert haben“ – spiegelt sich in seinen Filmen wider. Bei aller Bitternis in der Darstellung der sozialen Lebensumstände der Menschen sind es vor allem Filme, „in denen die Beschwernis des Lebens aufgehoben wird in einer reichen Tiefe des Gefühls, einer wärmenden Reife des Herzens.“ (Martin Schlappner)

Stefania Sandrelli, geboren 1946 in Viaggio, Toskana, ist eine der Ikonen des italienischen Kinos. Als 15-Jährige von Pietro Germi entdeckt, wurde sie innerhalb kurzer Zeit durch ihre beeindruckende Vitalität, Sinnlichkeit, Wandlungsfähigkeit und Leinwandpräsenz zu einer der populärsten und meist beschäftigten Schauspielerinnen ihrer Generation. Sie wirkte in zahlreichen Filmen der Commedia all’italiana mit, darunter Werke von Mauro Bolognini, Luigi Comencini, Mario Monicelli, Antonio Pietrangeli, Ettore Scola sowie vier Filme von Pietro Germi. In Frankreich drehte sie u. a. mit Jean-Pierre Melville, Claude Chabrol, Alain Corneau und Jean-Louis Trintignant. Sie war Luis Buñuels erste Wahl für die Titelrolle von TRISTANA und Francis Ford Coppolas präferierte Besetzung der Apollonia in DER PATE. Stefania Sandrelli gehört zu den wenigen Schauspielerinnen, die auch im fortgeschrittenen Alter noch interessante Rollen angeboten bekommen. Ihre Filmografie umfasst bis heute mehr als 130 Kino- und Fernsehfilme, 2009 realisierte sie ihre erste und bislang einzige Regiearbeit CHRISTINE CRISTINA.