Michaela Biet stellt im Tucherschloss-Garten aus

Skulptur trifft Natur

von Interview: Gabriele Koenig - 3.3.2022

Nürnberg - Die Kunst wird sich behaupten! Wenn Michaela Biet ihren Kosmos ab 28. April im Tucherschloss ausstellt, werden ihre großformatigen Skulpturen aus Eisen und Stein mit dem Renaissancegarten in Dialog treten und filigrane Modelle im Eingang des Museums zu sehen sein. Wie eine solche Ausstellung entsteht? Das erzählen die Künstlerin und Ulrike Berninger, die Leiterin des Museums Tucherschloss und Hirsvogelsaal.

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Michaela Biet im Atelier.

Frau Biet, Sie schauen gar nicht aus, als kämen sie gerade aus dem Atelier…

Biet: Ich arbeite für die Ausstellung gerade an einer schwarzen Granitstele, die an Strukturen des menschlichen Körpers wie z.B. Wirbelsäule oder DNA erinnert. Der schwarze Granit ist ein extrem hartes Material. Da sind Presslufthammer, Flex, Hammer, Meißel und Poliermaschine im Einsatz. Das ist eine staubige und körperlich fordernde Arbeit, die ich für heute beendet habe.

Solitär heißt die extra für Ausstellung geschaffene Eisenguss-Skulptur. © Achim Weinberg

Frau Berninger, ein Werk eigens für die Ausstellung. Überrascht Sie das?

Berninger: Ich freue mich riesig über diese Neuigkeiten, und bei der Beschreibung des Projekts entstehen gleich Bilder in meinem Kopf. Natürlich entwickelt sich die Ausstellung in enger Absprache. Wir schauen uns im Anschluss an unser Gespräch erneut das Gartengelände an, ich war schon drei Mal im Bildhauer-Atelier und bestimmt nicht das letzte Mal. Unser Wunsch: Wir wollen einerseits einen Querschnitt durch Michaela Biets Oeuvre präsentieren, andererseits aber auch ganz neue, bislang noch nie gezeigte Werke, die erst durch den Ort und unsere gemeinsamen Gespräche angeregt wurden.

Bis zur Eröffnung Ende April wollen Sie noch ein, zwei neue Arbeiten fertigstellen, Frau Biet. Setzt Sie das unter Zeitdruck?

Biet: In gewisser Weise. Es ist anachronistisch, in der heutigen schnelllebigen und digitalen Zeit an etwas so lange und körperlich zu arbeiten wie an einer Stein-skulptur. Das erfordert an jedem Morgen ein neues Kräftesammeln und mentale Stärke: in die kalte Werkstatt gehen, anschüren, sich in den Staub stellen und wissen, dass fünf, sechs Stunden konzentrierte Arbeit am Stein folgen.

Berninger: Ich bin Michaela Biet zutiefst dankbar dafür, dass sie sich über den Winter tatsächlich mit so viel Verve in die Arbeit gestürzt hat. Hätte ich die Ausstellung schon vor zwei oder drei Jahren im Kopf gehabt, hätten wir die Vorbereitung bequem angehen können. Oder wir hätten uns nun auf bereits vorhandene Werke beschränken können. Letzteres wollten wir jedoch nicht. Jetzt sitzt uns beiden die Zeit im Nacken. Aber wir haben den Willen und teilen den Anspruch, etwas Neues auszuprobieren.

Michaela Biets Arbeiten sind nicht nur groß, sondern echte Schwergewichte. Wie kommen die tonnenschweren Skulpturen aus Stein und Eisen in den Tucherschlossgarten?

Biet: Einige der Skulpturen für die Ausstellung wiegen bis zu einer Tonne. Das macht den Aufbau dieser Ausstellung mit Stein und Eisenskulpturen sehr aufwändig. Es gibt zum Tucherschlossgarten nur einen einzigen ebenerdigen Zugang. Die Skulpturen müssen von Hand und mit einem Portalkran in den Garten gebracht und aufgestellt werden. Für den Transport aus dem Atelier wird ein Laster mit Kran gebraucht. Das wird was Größeres! Das wird sehr spannend, denn unter freiem Himmel sieht jede Arbeit anders aus als im Atelier.

Schlossgarten des Tucherschlosses. © Ulrike Berninger

Wer bestimmt, wo die Skulpturen platziert werden?

Berninger: Das machen wir gemeinsam – momentan wird auf Papier geplant, im April dann real platziert. Denn jetzt im Winter kann man sich nur vorstellen, wie die Skulpturen wirken werden - einzeln, aber auch als Ensembles im Ambiente, mit den Pflanzen und im Sonnenlicht. Ich werde beim Aufstellen beispielsweise auf Sichtachsen zur bestehenden Bepflanzung und zur Architektur sowie auf die Beziehung zu den bereits vorhandenen Skulpturen im Garten achten.

Was macht eine Ausstellung im Garten des Tucherschlosses so reizvoll für Sie beide?

Biet: Der Renaissancegarten hatte mir schon bei der vorigen Ausstellung gefallen, besonders, dass er so strukturiert ist und viele verschiedene Blickwinkel bietet. Da würde ich gern mal ausstellen, dachte ich. Als Nürnberger Künstlerin ist es schön für mich, in Nürnberg in dieser Breite auszustellen und auch große Arbeiten zeigen zu können.

Berninger: Aber Kunst muss sich auch behaupten können im Tucherschlossgarten, gegenüber den bestehenden Pflanzen und Gebäuden. Mir ist wichtig, dass sie nicht zum bloßen Dekor wird, dass sie nicht „untergeht“. Kunst und Ambiente sollten gleichberechtigt miteinander „leben“, sich eventuell ergänzen oder auch interagieren. Ich kann mir vorstellen, dass das mit Michaela Biets Skulpturen sehr gut funktioniert. In der Kombination von abstrakter Kunst mit natürlichen Materialien und Formen lassen sie ganz viele Interpretationsmöglichkeiten zu, laden zu individuellen Assoziationen ein. Samenkern, Virus, Fruchtbarkeitsgöttin – Jede und Jeder kann etwas anderes darin sehen.

Sie arbeiten mit Stein und Eisen, Frau Biet, kalten und unbeweglichen Materialien. Wie ringen Sie ihnen Bewegung und Leben ab, die ihre organischen Skulpturen ausstrahlen?

Biet: Meine Inspiration kommt aus der Formenvielfalt der Natur – manchmal regen mich innere Organe und Strukturen von Lebewesen an. Diese werden bei der Umsetzung in Stein transformiert: von der Naturform zur Kunstform. Zuerst mache ich mir ein kleines Modell aus Ton, dann beginne ich mit der Arbeit am Stein. Dies ist ein langer Prozess, in dessen Verlauf sich die Form der Skulptur entwickelt bis zu dem Punkt, an dem ich die Arbeit für beendet erkläre.

Berninger: Und ist es auch so, dass der Stein die Arbeit lenkt?

Biet: Die Findlinge, mit denen ich arbeite, sind Naturstein, da tauchen auch immer Risse oder Absplitterungen auf – aber das ist nicht so entscheidend. Die Skulptur entwickelt und verändert sich. Der Entstehungsprozess ist wie eine Meditation: Der Körper arbeitet, aber der Kopf ist ganz frei. Am Ende bin ich nie vollauf mit meinem Werk zufrieden – aber das gibt mir den Ansporn weiterzumachen. Bildhauerei ist meine Art, die Welt zu verstehen.

Berninger: Ich finde es reizvoll, wenn ein Kunstwerk die ganze Bandbreite der Bearbeitungsschritte zeigt. Wenn einige Stellen unbearbeitet bleiben, andere dagegen glatt poliert sind. Deshalb freut es mich sehr, dass wir in der Eingangshalle Modelle zeigen dürfen, die Michaela Biet über Jahre angefertigt hat und die ich im Atelier entdeckt hatte. Fragile, zehn Zentimeter große Tonmodelle, die sie wie Skizzen nutzt. Die Idee ist, eine Genese der Skulpturen im Garten abzuleiten.

Geöffnete Form/Trilobit, 2008, in Aichach. © Klaus F. Linscheid

Apropos Genese: Wie sind Sie eigentlich auf Michaela Biet gekommen, Frau Berninger?

Berninger: Unter dem Motto „Skulpturen im Park“ stelle ich seit Jahren dreidimensionale Kunstwerke im Schlossgarten und Schlosshof aus, aber tatsächlich waren noch nie Arbeiten in Stein dabei. Ich habe Michaela Biet seit langem aus der Ferne beobachtet und konnte mir ihre „geöffneten Skulpturen“ sehr gut im hiesigen Ambiente vorstellen. Dann habe ich sie einfach angerufen. Dabei hat sich herausgestellt, dass wir Ende der 1980er Jahre ein paar Semester Kunstgeschichte miteinander studiert haben.

Biet: Ich war damals mit der Kunstakademie fertig, hatte Bildhauerei bei Wilhelm Uhlig studiert und dachte, es kann nicht schaden, mit Archäologie und Kunstgeschichte einen weiteren vertieften, theoretischen Unterbau zu schaffen. Was ich auch gelernt habe: Vorträge über Kunst zu halten. Ich versuche dabei, den Zuhörenden einen Zugang zu der Welt der Skulptur zu eröffnen, die Formen genau zu betrachten. Deshalb freue ich mich schon darauf, vier Mal selbst durch meine Ausstellung zu führen.

museum-tucherschloss.de

Termine:

Museum Tucherschloss und Hirsvogelsaal
Hirschelgasse 9 – 11
90403 Nürnberg
Öffnungszeiten: Mo 10 – 15 Uhr, Do 13 – 17 Uhr, So 10 – 17 Uhr
Telefon: 0911 2 31-54 21
museum-tucherschloss.de

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