Privates aus dem Leben des Kanzlers

Ludwig Erhards Schatzkammer

von Irina Hahn - 4.3.2022

Fürth - Am 4. Februar 2022 wäre Ludwig Erhard 125 Jahre alt geworden. Zum Jubiläum präsentiert das Ludwig Erhard Zentrum (LEZ) erstmals und exklusiv seinen Privatnachlass im neuen Ausstellungsbereich Ludwig Erhard – im Original. Gezeigt werden authentische Bilder und Objekte, die einen sehr persönlichen Blick auf den ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland und späteren Bundeskanzler werfen.

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Ludwig Erhard ganz privat.

Ein mit feinem Porzellan gedeckter Tisch, gediegenes Mobiliar, ein Kinderkaufladen in Pastell-Pink und gefälligen 1950er-Jahre-Formen – fast könnte man meinen, Ludwig Erhard sei gerade erst aufgestanden aus seinem Lieblingsstuhl, um sich eine Zigarre zu holen oder mit seinen Enkelinnen Kaufladen zu spielen. Wer den neu eingerichteten Teil der Dauerausstellung Ludwig Erhard – im Original im ersten Stock des LEZ-Neubaus betritt, wird in eine andere Zeit geworfen: In die bürgerliche Welt der 1950er- und 1960er-Jahre, in der Hausmädchen im Servierkleid ebenso zum guten Ton gehörten wie das Rauchen. Es ist die Welt Ludwig Erhards mit vielen authentischen Bildern und Objekten aus seinem privaten Nachlass. Die Besucherinnen und Besucher begegnen hier dem Familien- und Genussmenschen, dem Kunst-, Architektur- und Musikliebhaber, dem leidenschaftlichen Skatspieler. Sie sehen das Familienporzellan mit dem Monogramm „LE“, das sowohl für Ludwig als auch seine Ehefrau Luise passte, Mobiliar der Familie, Fotos aus dem Familienalbum, eine Sammlung von Gehstöcken, die auf Erhards Polio-Erkrankung und Kriegsverletzungen verweisen, einen bemerkenswerten handgeschriebenen Notizzettel und jede Menge Zigarren und Zigarrenspitzen. Die Ausstellung offenbart aber nicht nur Einblicke ins Private, sondern zeigt Ludwig Erhard auch als Person des öffentlichen Lebens und als weltweiten Botschafter für die Soziale Marktwirtschaft. Präsentiert werden zum Beispiel Stadtschlüssel und Verdienstorden aus vielen Metropolen dieser Welt, Ehrendoktorhüte unter anderem aus Harvard sowie Erhards NASA-Schutzhelm und sein Stetson-Cowboyhut, die von der Verbundenheit mit dem US-amerikanischen Präsidenten Lyndon B. Johnson zeugen.

Es ist ein ganz besonderer, ein intimer Raum, den das LEZ seinem Namensgeber zum 125. Geburtstag eingerichtet hat: die Schatzkammer oder „Herzkammer“, wie sie der Kurator der Ausstellung Professor Daniel Koerfer nennt. Die Alltagsgegenstände, Erinnerungsstücke, Bilder und Porträts Ludwig Erhards ergänzen die Dauerausstellung um den persönlichen Blick und machen den Menschen Ludwig Erhard greif- und erlebbar.

Bis zur Verwirklichung des Projekts war es ein langer und verschlungener Weg. Im Juni 1993 schaltete der Bonner Verein Ludwig-Erhard-Stiftung e.V. ein winziges Inserat „Wohnungsauflösung“, in dem er den Nachlass des früheren Kanzlers anbot. Der Bonner Kunsthändler F.W. Ockenfels reagierte sofort und erstand Ludwig Erhards Antiquitäten, Silberbesteck, feinstes Porzellan, Gemälde, Ehrendoktormäntel und -hüte, Staatsgeschenke, den Frack, in dem er zum Bundeskanzler vereidigt wurde, seinen Personalausweis und Erhards Notizzettel, der auf das Geldversteck der Familie verweist. Die Wogen schlugen hoch: Sogar die ARD Tagesthemen und das ZDF Heute-Journal kritisierten in ausführlichen Berichten den spektakulären Verkauf an einen Privatmann – die Museen gingen leer aus. Dem Spiegel war die Story insgesamt drei Berichte wert: zuletzt 2010, als ein anonymes Konsortium den Nachlass für zwei Millionen Euro anbot.

Die Fürther TV-Journalistin Evi Kurz, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Ludwig-Erhard-Haus, begann ihre Recherche um den Verbleib dieses wichtigen Kulturerbes 2011, in dem Jahr, als die Idee aufkam, ein Ludwig Erhard Zentrum in Fürth zu errichten. Fast drei Jahrzehnte nach dem Verkauf gelang der Coup: Nach mehrjährigen Verhandlungen erwarb das LEZ den Nachlass aus Südafrika und führte ihn zurück in die Heimat. Ergänzt wird dieser Bestand durch großzügige Leihgaben der Urenkel Erhards.

Die Eröffnung der Schatzkammer bildete gemeinsam mit einem Festakt im Fürther Stadttheater den Auftakt zum Ludwig-Erhard-Jubiläumsjahr am LEZ. Pandemiebedingt konnten nur wenige Gäste vor Ort mitfeiern. Interessierte konnten und können den Festakt virtuell aufrufen (http://livestream.ludwig-erhard-zentrum.de). Hochkarätige Gäste aus Wissenschaft und Politik würdigten das Geburtstagskind – darunter Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Charlotte Knoblauch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Roland Weigert, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium, und Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der virtuell zugeschaltet war, nannte Ludwig Erhard in seiner Festrede einen „coolen Typen“, dessen Ideen auch heute noch „hochmodern“ seien. Angesichts aktuell großer Herausforderungen gehe es darum, Erhards Ideen und Philosophie „ins Neue zu übersetzen und auch eine Transformation in eine ökologischere, digitale Marktwirtschaft, die genauso sozial sein muss, auf den Weg zu bringen“.

Ludwig Erhard Zentrum
Ludwig-Erhard-Straße 6
90762 Fürth
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Telefon: 0911 621-8080
ludwig-erhard-zentrum.de

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