Neumarkt im Griff der Spanischen Grippe
Im Sommer 1918, wenige Monate vor Ende des Ersten Weltkriegs – die Zivilbevölkerung litt unter ständig zunehmenden Entbehrungen – trafen schlechte Nachrichten aus Nürnberg ein. Von einer Influenza-Epidemie, die schon als „Spanische Grippe“ bezeichnet wurde, berichtete das Neumarkter Tagblatt am 1. Juli. Es bestünde kein „Grund zur Besorgnis“, da die Krankheit „regelmäßig harmlos“ verlaufe und mit „Aspirin und Salipyrin“ anfänglich gut zu behandeln sei. Selbst die Tatsache, dass aus anderen deutschen Großstädten zahlreiche Ansteckungen gemeldet wurden, tat der Zuversicht zunächst keinen Abbruch.
Mitte Juli starben im Neumarkter Krankenhaus drei Patienten an Lungenentzündung oder Bronchitis. Ob diese
Todesfälle bereits auf den Influenza-
erreger zurückzuführen waren, ist unklar. Eine Frau aus Deining war die erste, die mit der Diagnose „Grippe“ am 22. Juli ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Wie
gefährlich das Virus tatsächlich war, wurde Ende August offenbar, als sich ein Teil des
Pflegepersonals infizierte. Als erstes Todesopfer beklagte man am 2. September die 25-jährige Krankenschwester Betty Eckstein, ein kurz darauf erkrankter Arzt überstand die Infektion und wurde am
9. September entlassen.
Nachdem im September 1918 drei an Grippe erkrankte Patienten in das
Neumarkter Krankenhaus aufgenommen worden waren, spitzte sich die Lage im Oktober dramatisch zu. In 47 Fällen wurde Influenza diagnostiziert – die Hälfte der Einweisungen jenes Monats ohne Einbeziehung anderer Atemwegserkrankungen. Besonders häufig infizierten sich Soldaten und Kriegsgefangene, die man im Reservelazarett unterbrachte. Innerhalb der Zivilbevölkerung waren vor allem Jüngere, überwiegend Dienstknechte und Mägde sowie Arbeiter betroffen, die vermutlich aufgrund der schlechten Ernährungslage dem Virus wenig entgegenzusetzen hatten. An Grippe oder Lungenentzündung starben im Oktober 1918, dem Monat mit den meisten Infektionen, sechs Patienten im Neumarkter Krankenhaus.
Wie viele Tote die Spanische Grippe in Neumarkt tatsächlich forderte, kann nur anhand der Einträge im Sterberegister vermutet werden. Während im März 1919, als die Grippewelle nahezu verebbt war, nur sechs Todesfälle (ohne Kleinkinder) gemeldet wurden, waren es im Oktober 51 Tote gewesen. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen lag bei 32 Jahren.
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