Ein Fenster zur Burg: Dürers Blick

von Katharina Heinemann - 22.10.2024

Nürnberg - Hinauf zu Nürnbergs Wahrzeichen blickt nicht nur Privatdetektiv Paul Flemming im neuesten Frankenkrimi Das Fenster zur Burg; schon Albrecht Dürer (1471–1528) hatte das mächtige Bauwerk zeitlebens vor Augen, was seine Werke noch heute verraten.

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Ausschnitt (gespiegelt) aus  Maria mit dem Kind an der Mauer , 1514 © Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung

Der Künstler wuchs am Fuß der Burg auf. Sein Elternhaus befand sich in bester Lage an der Burgstraße. Später erwarb er unweit des Tiergärtnertors im Jahr 1509 ein stattliches Gebäude als Atelier- und Wohnhaus. Auch von dort behielt er die Kaiserburg genauestens im Blick und fügte Teile von ihr als Hintergrundmotive in seine Graphiken ein.

An zwei Werken lässt sich das ganz besonders schön sehen: Bei den Kupferstichen Maria mit dem Kind an der Mauer aus dem Jahr 1514 und dem Meerwunder (um 1498) sind erstaunlich wirklichkeitsgetreue Ansichten der Süd- und Nordseite der Nürnberger Kaiserburg zu entdecken. Zuweilen sind diese kombiniert mit Gebäudeteilen, die zwar auf der Burg standen, aber von Dürer an eine andere Stelle versetzt oder gedreht wurden. Ein zusätzlicher Verfremdungseffekt entsteht dadurch, dass die Ansichten seitenrichtig gestochen wurden und somit im Druck spiegelverkehrt erscheinen.

So wie bei Maria mit dem Kind. Sie befinden sich auf einem Steinsockel vor einer glatten Mauer. Hinter Marias Kopf erstreckt sich – hier seitenrichtig abgedruckt – der östliche Teil der Südseite der Burg. Durch den Rundbogenfries eindeutig erkennbar ist der oben angeschnitten gezeigte Chorturm der stauferzeitlichen Doppelkapelle, der sogenannte Heidenturm. Der runde Sinwellturm aus dem 13. Jahrhundert in der Vorburg hat noch ein spätmittelalterliches Kegeldach, hölzerne Erker und einen hochgelegten Eingang. Erfindung oder echtes Aussehen?

Wie Vergleichsbilder beweisen, gibt Dürer den seinerzeitigen Zustand präzise wieder. Denn die prägnante Erhöhung um ein Stockwerk mit auskragenden Ringen für eine Geschützplattform, mit Zeltdach und Spitzhelmaufsatz erfolgte erst nach dem Tod des Künstlers, nämlich in den 1560er Jahren. Unverkennbar ist die langgestreckte spätmittelalterliche Baugruppe der Himmelsstallung, die direkt an die Hasenburg angrenzt. So heißt der Wohnturm, der den äußeren Burghof noch heute nach Südosten abschließt und wo über die Burgstraße ein steiler Weg auf die Burg führt.

Der Kupferstich Das Meerwunder zeigt die Nordseite der Burg. Hier lässt sich die Wirklichkeitstreue der Graphik nicht so leicht überprüfen, da dort kurz nach Dürers Tod viel verändert wurde. Diese stadtabgewandte sogenannte Feldseite erhielt zwischen 1538 und 1545 moderne Bastionen nach italienischem Vorbild, die den alten Zwingermauern vorgesetzt wurden.

Auf dem gespiegelten Ausschnitt schweift der Blick von rechts nach links in die Tiefe: von dem hohen, im Zweiten Weltkrieg komplett zerstörten und heute wieder aufgebauten Wohngebäude der Kernburg, der sogenannten Kemenate, über das spitze Dach des Sekretariatsgebäudes (heute Café) im äußeren Burghof, den Dürer stark tiefer gelegt hat.

Weiter geht der Blick hinunter zur hölzernen Brücke, die über den Graben zum dunklen Eingang des Vestnertors der Burg führt. Ein kleiner, seitlicher Turm deckt zusätzlich den Zugang zum Tor. Dieser Gebäudeteil ist verblüffend genau wiedergegeben und ähnelt stark dem bis heute überlieferten Zustand.

Gedeckte Wehrgänge, Schlüssellochschießscharten und andere bauliche Elemente, die auf der Nürnberger Burg vorkommen, verstärken den Eindruck von Wirklichkeitsnähe auf Dürers Werken. Sie zu entschlüsseln, ist spannend wie ein Krimi: Vieles wird auf den ersten Blick klar, doch manches Rätsel lässt sich nicht lösen. Denn offenbar wollte Dürer die Burgansicht nicht genau reproduzieren, sondern verwendete sie bei aller Präzision für die formalen und inhaltlichen Ausgestaltungen seiner Bildthemen - und damit für ganz andere Fragen.

https://www.kaiserburg-nuernberg.de/

Kaiserburg Nürnberg
Auf der Burg 17
90403 Nürnberg
Öffnungszeiten: tägl. 9 – 18 Uhr, ab 1. Okt 10 – 16 Uhr
Telefon: 0911 24 46 59-0
kaiserburg-nuernberg.de

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