Moment, ich wecke den Kanzler!

Auf ein erstaunliches, ein bewegtes Leben blickt Elisabeth Leutheusser-von Quistorp zurück. 1944 in der Nähe von Greifswald geboren, floh sie 1945 mit ihrer Mutter und fünf Geschwistern aus der ehemaligen Provinz Pommern an den Niederrhein. Ihr Vater kam 1946 in einem Speziallager in der Sowjetischen Besatzungszone ums Leben. 1961 machte der Tod der Mutter die junge Frau zur Vollwaise.
Im Oktober 1964 wurde die staatlich geprüfte Kinderpflegerin aus einer Anstellung in einem privaten Säuglingsheim von Bundeskanzler Ludwig Erhard und seiner Frau Luise abgeworben. Elisabeth Leutheusser-von Quistorp war den Erhards empfohlen worden, weil sie die Silberhochzeit von Bekannten perfekt organisiert hatte. Ihr Einsatzort sollte der neue Kanzlerbungalow in Bonn werden. Sie wurde vom Bundeskanzleramt als Hausdame bzw. – laut Vertrag – als „Beschließerin“ angestellt. Die „Beschließerin“ war im mittelalterlichen ritterlichen Haushalt oder im adeligen Hofstaat für die inneren wirtschaftlichen Abläufe verantwortlich. Ihre Hauptaufgabe war die Organisation des Hofhaushalts und der Arbeitsabläufe am Wohnsitz und bei Reisen.
Als moderne Beschließerin und Hausdame im Kanzlerbungalow hatte Elisabeth Leutheusser-von Quistorp eine ganz ähnliche Funktion. Nach ihren eigenen Worten hat sie „hinter den Kulissen den Laden geschmissen“ und war die mächtige Mittlerin zwischen den öffentlichen und repräsentativen Amtspflichten der Bundeskanzler und ihrem Privatleben. Ihr eigenes Privatleben musste die junge Hausdame dafür zurückstellen. Sie wohnte im Kanzlerbungalow und war rund um die Uhr im Dienst. „Es gab ja kaum ein Telefonat im Bungalow zum Bundeskanzler oder zu seiner Frau, das nicht durch mein Ohr ging, von mir weiterverbunden wurde“, erinnert sich Elisabeth Leutheusser-von Quistorp. Da sie als Hausdame auch geheime Telefonate empfing und Zugang zu sensiblen Dokumenten hatte, unterlag sie der höchsten Geheimhaltungsstufe.
Eine besondere Verbindung hatte Elisabeth Leutheusser-von Quistorp zu ihrem ersten Dienstherren Ludwig Erhard und dessen Frau Luise. Die Erhards waren für sie wie Ersatzeltern. Ludwig Erhard wurde später sogar ihr Trauzeuge.
Elisabeth Leutheusser-von Quistorp © Ludwig Erhard Zentrum
So ist das Ludwig Erhard Zentrum als zentraler Ort der Erinnerung an das Leben und Wirken des berühmten „Vaters des deutschen Wirtschaftswunders und der Sozialen Marktwirtschaft“ eine Herzensangelegenheit für Elisabeth Leutheusser-von Quistorp. Sie ist gleichermaßen eine wichtige Zeitzeugin und unverzichtbare Verbündete, die die Dauerausstellung und Sammlung mit ihrem umfassenden Wissen sowie mit Exponaten, Dokumenten und Fotos bereichert hat.
Am 21.6.22 bietet das LEZ allen Interessierten die Möglichkeit, Elisabeth Leutheusser-von Quistorp im Rahmen einer Buchvorstellung mit Lesung und Gespräch kennenzulernen. Das Buch Moment, ich wecke den Kanzler! des BR-Fernsehmoderators, Filmemachers und Journalisten Stefan Scheider zeichnet die hochspannende Vita Leutheusser-von Quistorps einfühlsam und lebendig nach.
Moment, ich wecke den Kanzler! © Ludwig Erhard Zentrum
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