Flucht und Neuanfang in fränkischen Dörfern

Der Zuzug vieler Schlesier und Sudetendeutscher, besonders aus dem Egerland, wirkte sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gravierend auf die damalige Struktur der Orte in der Region nördlich von Nürnberg aus. Da Aufnahmelager wie in Tennenlohe nicht genügend Platz boten, mussten viele Einwohner die Neuankömmlinge bei sich aufnehmen. Dies führte zunächst zu Konflikten und die Integration der Vertriebenen in Bayern wurde zu einer großen Herausforderung.
Die Regierung und verschiedene Organisationen setzten sich dafür ein, Wohnraum, Arbeit und soziale Unterstützung bereit-zustellen. Ein wichtiger Arbeitgeber der Region waren die Vereinigten Papierwerke in Heroldsberg, wo viele Vertriebene eine Anstellung fanden. Der Wirtschaftsaufschwung der 1950er Jahre begünstigte den zügigen sozialen Aufstieg vieler Menschen und der Bau neuer Siedlungen mit Ein- und Mehrfamilienhäusern für die Geflüchteten entlastete die Einheimischen und schuf wichtige Perspektiven für die Neuankömmlinge.
Die Vertriebenen integrierten sich schnell und wurden zu einem wichtigen Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung Bayerns. Wie die einheimische Bevölkerung standen auch die neuen Mitbürger vor großen Herausforderungen. Sie mussten sich an ein neues Leben und eine neue Kultur anpassen. Vielerorts beschleunigten die Vertriebenen den Wandel dörflich geprägter Gemeinden hin zu modernen Ortschaften. Sie brachten ihre eigene Kultur und Tradition mit nach Bayern und bereicherten so die kulturelle Vielfalt der Region nördlich von Nürnberg.
Mit der Sonderausstellung Vertriebene – Flucht und Neuanfang widmet sich das Museum Weißes Schloss Heroldsberg der Geschichte dieser Menschen, die nach 1945 aus ihrer Heimat in Pommern, Schlesien, Ostpreußen, dem Sudetenland, Ungarn oder Rumänien nach Franken kamen. Am Beispiel von Heroldsberg und dem damaligen Landkreis Erlangen veranschaulicht die Ausstellung Flucht und Neuanfang in Bayern.
Sie zeigt mit Bild-Text-Tafeln, historischen Fotografien, Dokumenten sowie Audio-Interviews mit Zeitzeugen Ausschnitte aus dem Leben der Vertriebenen in ihrer neuen Heimat Franken. Persönliche Einblicke in die Geschichten der Heroldsberger Familien Püchner, Fiedler und Hauenstein visualisieren das Erlebte für die heutigen Betrachter.
Neben Gemälden des Künstlers Fritz Heidingsfeld (1907–1972) aus Pommern präsentiert die Ausstellung als besonderes Highlight eine Geige, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von einem Schönbacher Geigenbauer im Erlanger Umland angefertigt wurde sowie eine bewundernswerte Tracht aus dem Egerland.
Weißes Schloss Heroldsberg
Kirchenweg 4
90562 Heroldsberg
Öffnungszeiten: Mi 10 – 13 Uhr, Fr, Sa, So 15 – 18 Uhr
Telefon: 0911 23 73 42 60
weisses-schloss-heroldsberg.de