Promiarzt im Deutschen Kaiserreich: Ernst Schweninger

Dem 1850 geborenen Sohn des Neumarkter Bezirksarztes schien zunächst in München eine glanzvolle Universitätskarriere bevorzustehen. Wie sein um sechs Jahre älterer Bruder Franz war er dem Vorbild des Vaters gefolgt, hatte in München Medizin studiert und lehrte an der medizinischen Fakultät als Privatdozent. 1878 erhielten beide eine Oberarztstelle am städtischen Krankenhaus rechts der Isar, Franz als Chirurg und Ernst in der Pathologie.
Ein Jahr später jedoch schien das Ende seiner Karriere besiegelt, Ernst Schweninger bat um seine Entlassung aus dem Universitätsdienst. Was war passiert? Ausgerechnet auf dem Südfriedhof war er beim Techtelmechtel mit der jungen Gattin des Armenarztes erwischt und angezeigt worden. Nach einem aufsehenerregenden Verfahren verurteilte das Gericht beide zu einer „Frivolitätsstrafe“ von 75 Mark, ihn zu einer viermonatigen und sie zu einer zweimonatigen Haft. Nach einem längeren Aufenthalt an der französischen Riviera kehrte Schweninger nach München zurück und ließ sich dort als praktischer Arzt nieder. Als glücklicher Umstand erwies sich, dass Wilhelm von Bismarck, der jüngere Sohn des Reichskanzlers, ihn auf Empfehlung eines gemeinsamen Bekannten wegen seiner Gicht konsultierte. Auf den Besuch in der Münchener Praxis folgte im Herbst 1882 eine Einladung nach Varzin, dem von seinem Vater erworbenen Rittergut in Pommern.
Den mächtigen Staatsmann fand Schweninger in jämmerlicher gesundheitlicher Verfassung vor: Stark übergewichtig klagte Otto von Bismarck über zahlreiche Beschwerden. Seine Ärzte hatten ihn bereits aufgegeben, zumal ein renommierter Berliner Internist ein Leberkarzinom diagnostiziert hatte. Nach weiteren Besuchen erklärte sich Schweninger bereit, die Behandlung des als schwierig geltenden Patienten zu übernehmen. Das Vertrauen in seine ärztliche Kompetenz vorausgesetzt, sollten fortan Bismarcks Lebensführung und vor allem seine Ernährungsgewohnheiten unter Schweningers strengem Regiment stehen. Bismarck willigte ein und Schweninger wurde auf dem Familiengut einquartiert. Statt Medikamenten verordnete der Arzt eine Diät, Bewegung an der frischen Luft und einen geregelten Tagesablauf.
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