Schöne heile Welt? Diese Ausstellung berührt unser aller Leben

von Sonja Mißfeldt - 22.10.2024

Nürnberg - Wie steht es um unser Verhältnis zur Natur? Wie war es früher? Und haben wir etwas aus der Vergangenheit gelernt? Fragen dieser Art geht die große Sonderausstellung Hello Nature. Wie wollen wir zusammenleben? noch bis 2. März 2025 im GNM nach.

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Verließ für die Ausstellung erstmals das Stadthaus in Zürich: Die Fischtafel von Johann Melchior Füssli aus dem Jahr 1709. © Kunstsammlung Kanton Zürich

Es ist erstaunlich, wie lange den Menschen schon das Phänomen der Nachhaltigkeit beschäftigt. Das Thema ist hochaktuell – und doch bereits Jahrhunderte alt. Schon im Mittelalter waren sich Gemeinschaften bewusst, dass Ressourcen endlich sind und ihr Verbrauch reguliert werden sollte.

Eindrucksvoll bezeugt das ein Waldplan von Nürnberg aus dem Jahr 1516: Die Malerei zeigt eine stilisierte Ansicht der Stadt, die von in unterschiedlichen Grüntönen eingefärbten Waldflächen umgeben ist. Der Wald war lebenswichtig, Holz schon immer ein wertvoller Rohstoff. Es diente als Baumaterial, aber auch als Brennstoff, und war damit Wärme- und Energielieferant. Holzkohle wurde benötigt für die Eisenverhüttung, also die Reinigung des Roheisens von störenden Schwefelverbindungen, was mittels Erhitzens erfolgte. Die Eisenverhüttung und ‑verarbeitung waren einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Reichsstadt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Waldgebiete boten auch Lebensräume für Wildtiere, die als Nahrung und der Repräsentation dienten. Der Mensch hatte also schon immer ein existenzielles Interesse am Wald.

Bereits im 14. Jahrhundert kam in Nürnberg die Sorge auf, diese natürliche Ressource könne irgendwann zur Neige gehen. Übernutzungen und Rohdungen hatten in umliegenden Wäldern Ödflächen hinterlassen. Mehrfach forderten Kaiser die Reichsstadt auf, ihren Waldbestand konsequenter wieder aufzuforsten – ohne durchschlagenden Erfolg. Ein richtungsweisender Vorstoß gelang 1368 dem Nürnberger Ratsherren und Unternehmer Peter Stromer: Im Auftrag von Stadtkommune und Reich entwickelte er zusammen mit einigen Mitstreitern die sogenannten Nadelwald-Saaten, die planmäßige Aussaat von Nadelholz-Samen.

In kirchlichem Kontext genossen Nadelbäume im Mittelalter kein hohes Ansehen, weil sie keine Früchte trugen und damit Gottes Schöpfung verhöhnten. Stromer aber erkannte ihren Wert. Er ließ Tannen- und Kiefernzapfen sammeln und auf brachliegenden Feldern aussäen. Sehr genau beobachtete er diese Anpflanzungen und ermittelte dadurch den geeignetsten Zeitpunkt für die Aussaat, die ideale Tiefe, in der Samen platziert werden sollten, und die bestmöglichen Abstände, damit die jungen Bäume genügend Platz zum optimalen Gedeihen und Austreiben hatten.

Außerdem bemerkte er, dass die einzelnen Baumarten unterschiedliche Böden bevorzugen und passte die Aussaat dementsprechend an. Die Erfolge dieser gezielten Aufforstung bemerkten auch andere Regionen. Stromers Erkenntnisse waren europaweit gefragt, der Nürnberger gilt als Pionier der nachhaltigen Fortwirtschaft.

Bis zu seinem Tod 1388 forstete Stromer zahlreiche Brachflächen wieder auf. Der Nürnberger Reichswald wurde zum ersten bekannten Kunstforst der Welt.

In dieser Zeit stieg Nürnberg zu einem europaweit bedeutenden Zentrum für Wirtschaft, Politik, Kunst und Innovation auf. Das verdankt die Reichsstadt zu einem nicht unerheblichen Teil ihrem guten und nachhaltigen Management von lokalen Rohstoffen. Bis 1427 gelang es Nürnberg, weitere nahegelegene Waldgebiete unter seine Zuständigkeit zu bringen. Der eingangs erwähnte Waldplan zeigt diesen umfangreichen Waldbestand. Ursprünglich angefertigt wurde er als repräsentative Übersicht für das Nürnberger Rathaus, was die Bedeutung von Holz für die Stadt zusätzlich betont. Die in unterschiedlichen Grüntönen eingefärbten Bereiche markieren Organisationseinheiten, in die der Reichswald für den städtischen Brenn- und Bauholzbedarf eingeteilt war.

Ein weiteres historisches Beispiel ist die beeindruckende Züricher Fischtafel – ein monumentales Werk. 2,50 Meter misst die Holztafel, die bis heute im Stadthaus von Zürich hängt. Ordentlich aufgereiht zeigt sie 30 verschiedene Fischarten aus Limmat und Zürichsee. Vermerkt sind in einer zugehörigen Tabelle deren Schon- und Verkaufszeiten. Auch die Laichzeiten sind festgehalten, in denen keine Fische gefangen und gehandelt werden dürfen. Ergänzend werden jene Arten erwähnt, für die keine Sperrzeiten gelten, außerdem Mindestmaße aufgeführt, über die ein gefangener Fisch verfügen muss. Die auf der Tafel neben jedem Fisch stehende Nummer verbindet Text und Bild.

Die Züricher Fischtafel ist quasi eine gemalte Marktordnung. Sie entstand 1709, doch die dahinterstehenden Regularien sind wesentlich älter. Bereits im Jahr 1336 hatten sich Fischer, Schiffer und Seiler in Zürich zur sogenannten Schiffsleutezunft zusammengeschlossen, die Verordnungen zu Fang-, Schon- und Verkaufszeiten aufstellte. Ihre Einhaltung wurde von der Zunft überwacht, Verstöße wurden mit Bußgeldern oder gar Berufsverbot geahndet. Zur Zeit der Entstehung der Fischtafel war der Züricher Natur- und Artenschutz also seit knapp vier Jahrhunderten etabliert.

Fischtafel und Waldplan sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie lange die Menschheit sich schon der Bedeutung von Nachhaltigkeit bewusst ist. Warum fällt es ihr dennoch so schwer, stets nachhaltig zu handeln? Wie gelangen wir zu einem harmonischen Zusammenleben zwischen Mensch und Nutztier, wie es beispielsweise Hartmut Kiewert auf seinen Gemälden zeigt? Die Antwort kann auch die Sonderausstellung Hello Nature nicht liefern, dafür aber Linien in die Geschichte aufzeigen, historische Beispiele benennen und verschiedene Lösungsvorschläge zur Diskussion stellen.Die Ausstellung begleitet ein umfangreiches Programm aus Führungen, Vorträgen und Diskussionsrunden, in denen Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zu Wort kommen. Neu ist eine Gesprächsreihe am Freitagabend, als anregender Einstieg ins Wochenende. Einmal im Monat sprechen in interdisziplinären Runden Gäste verschiedener Fachrichtungen zu Themen der Ausstellung.

Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20.30 Uhr
Telefon: 0911 13 31-0
www.gnm.de

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