Vernetzte Welten: Geschichte und Gegenwart der Globalisierung im GNM

Was haben eine Jeans, eine Teekanne aus dem 18. Jahrhundert und ein Astrolab des 14. Jahrhunderts gemeinsam? Alle diese Objekte sind Teil der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums und werden ab Donnerstag, 10. April 2025 gemeinsam in der Sonderausstellung Vernetzte Welten. Globalisierung im Fokus zu sehen sein. Jedes Stück veranschaulicht dabei verschiedene Aspekte globalisierten Lebens. Neben historischen Gegenständen werden auch vertraute, alltägliche Dinge neu beleuchtet. So werden die Wurzeln globaler Prozesse und deren Weiterentwicklung bis heute thematisiert. Die Ausstellung ordnet die Exponate in fünf Kategorien.
Es geht um Reisen und Orientierung, um Wohnkultur und Mode, um Kulinarik und Genussmittel, um Imagebildung anhand von Konsumgütern und um globale Handels- und Tauschprozesse. Für eine zentrale Frage der Menschheit steht das Astrolab (links): Wie orientieren wir uns in der Welt? Wie und mit welchen Hilfsmitteln finden wir den Weg in einer Gegend, in der wir uns nicht auskennen? Astrolabien sind vielteilige, scheibenförmige Rechen- und Messinstrumente, die bereits in der griechischen Antike verwendet wurden, bevor sie im islamischen Kulturraum an Bedeutung gewannen. Mittels auf Scheiben vermerkter Koordinatensysteme ermöglich(t)en sie es, die Position von Gestirnen zu berechnen und damit Himmelsrichtung und Ortszeit zu bestimmen. Damit war beispielsweise klar, wann und in welche Richtung gebetet werden musste. Für die verschiedenen Regionen der Welt existier(t)en unterschiedliche Einlegescheiben, da sich auf Reisen die Ausrichtung zu Himmelskörpern verändert.
Der Gebrauch eines Astrolabs ist komplex und verlangt Spezialwissen. Die heutige Technik macht die Orientierung in der Welt viel einfacher: Mit einem Smartphone und einer Internetverbindung gestaltet sich die Routenplanung weitaus bequemer. Während der Laufzeit der Ausstellung finden regelmäßig Führungen statt. Am Sonntag, 18. Mai 2025, dem Internationalen Museumstag, gibt es bei freiem Eintritt als Besonderheit kostenlose Kurzführungen mit Mitgliedern des Jungen Beirats des Museums. Außerdem lädt das GNM unter dem Titel Vernetzt – Du, Ich, Wir gemeinsam mit dem Inter-Kultur-Büro einmal monatlich zu einem spannenden Austausch über alltägliche Aspekte von Globalisierung ein. Ausgewählte Stücke aus der Ausstellung stellen wir hier vor.
Luxus vs. Massenware
Stühle und Sessel sind fester Bestandteil der Einrichtung von Wohnungen, Büros oder Restaurants. Sie ermöglichen bestenfalls eine angenehme, der jeweiligen Situation angepasste und erhöhte Sitzposition: bequem und praktisch. Dass Sitzmöbel globale Phänomene sind, zeigen zwei Beispiele in der Ausstellung. Der am Bauhaus entwickelte Barcelona-Sessel (rechts) ist ein Design-Klassiker, der für eine universelle Ästhetik steht. Für alle erschwinglich ist er dadurch aber nicht - im Gegensatz zum vielleicht "meistgehassten", aber auch am weitesten verbreiteten Stuhl der Welt: Der im Spritzgussverfahren hergestellte Monobloc aus Plastik findet sich im deutschen Schrebergarten genauso wie auf den Straßen Indiens oder Ugandas.
Die europäische Währung
Mit der Einführung des Euro im Jahr 2002 existierte erstmals eine gemeinsame europäische Währung, die heute in 26 europäischen Staaten als Zahlungsmittel dient. Die Scheine und Münzen gelten über nationale Grenzen hinweg und sind auch als ein Symbol für ein vereintes Europa zu sehen. spiegeln sich in der Gestaltung des Geldes. Beispielsweise zeigen die 1-, 2- und 5-Cent- Münzen Europa als Teil des gesamten Globus. Das Motiv der 10-, 20- und 50-Cent Münzen drückt die Eigenständigkeit der einzelnen Nationen aus, die dennoch eine verbundene Gemeinschaft bilden, wie die Darstellung auf den 1- und 2-Euro Münzen betont. Die zweite Seite der Münzen hingegen zeigt in jedem Land andere landestypische Motive. Auf den deutschen Münzen sind beispielsweise Eichenlaub, das Brandenburger Tor und der Bundesadler dargestellt. Schon im Dezember 2001 gaben die Banken in Europa Euro- Starterkits heraus. In Deutschland enthielten sie Münzen im Wert von 10,23 Euro und konnten für 20 DM erworben werden.
Wie man sich das "Fremde" vorstellt
Die stete Verfügbarkeit von Kaffee, Tee und Kakao ist heute selbstverständlich. Die Heißgetränke werden aus Pflanzen gewonnen, die nicht in Europa gedeihen. Nach Ernte und Weiterverarbeitung haben sie noch einen weiten Weg vor sich, bevor sie in unsere Supermärkte gelangen. Kritisch zu betrachten sind auch die Umstände ihrer Herstellung, bis heute herrschen auf den Plantagen teils dramatische Arbeitsbedingungen. Doch nicht nur Lebensmittel wurden als Kolonialwaren importiert, entsprechende (neue) Gefäßtypen wurden gleich mitgeliefert. Eine Fayence-Teekanne aus Künersberg aus dem 18. Jahrhundert präsentiert stellvertretend die Anfänge der Heißgetränke-Kultur vor rund 250 Jahren in Europa. Porzellan aus China und Japan war aber kostspielig. Günstiger waren lokal hergestellte Nachahmungen, etwa aus Fayence, einem keramischen Werkstoff. Nach dem Brennen ist er porös, also wasserdurchlässig, außerdem ist seine Farbe nicht weiß, sondern gelblichgrau oder braun-rötlich. Durch einen Überzug mit einer Glasur ähnelten die Gefäße schon eher dem edlen Porzellan und konnten außerdem als Trinkgefäße genutzt werden. Die Darstellung auf der Künersberger Kanne zeigt eine chinesisch anmutende Szene, die allerdings nicht die reale asiatische Welt wiedergibt, sondern sie spiegelt die damaligen Vorstellungen der Europäer von fremden Ländern und den dort lebenden Menschen.
Alles Aldi!
Alles Aldi! Früher wurde das Tragen einer Aldi-Tüte bisweilen stereotyp vor allem mit Menschen mit migrantischem Hintergrund in Verbindung gebracht. Mit der "Aldisierung" in den 00er Jahren begann eine neue Entwicklung: Weite Teile der Mittelschicht entdeckten den Discounter für sich. Welchen Aspekt der Globalisierung zeigt aber nun diese Tüte? Aldi ist ein weltweit agierendes Handelsunternehmen, dessen Sortiment jedoch stets geografisch leicht angepasst wird. Für die Firma Aldi Nord entwarf der Grafiker Günter Fruhtrunk (1923–1982) zu Beginn der 1970er Jahre das Design einer Tüte und schuf damit das "bekannteste unbekannte Kunstwerk". Die Fruhtrunk-Tüte wurde bis um 2018 produziert. Mit der Umstellung auf Mehrwegbeutel musste die markant gestreifte, hochrechteckige Designer- Tüte abtreten. Aber auch die heute verwendeten Taschen beziehen sich in Design und Farbe ganz eindeutig auf den Vorgänger.
Foodporn im 17. Jahrhundert
Das Stillleben, das Georg Flegel um 1615 malte, zeigt verschiedene in Zentraleuropa heimische und nicht-heimische Früchte. Der rotköpfige Papagei stammt wohl aus dem tropischen Afrika. Hier wird keine gängige Mahlzeit präsentiert, vielmehr handelt es sich um eine Inszenierung, um eine sorgfältige Auswahl, die nichts mit Alltäglichkeit zu tun hat. Wie verhält es sich, wenn wir Foodporn – Fotos von ansprechend arrangierten Lebensmitteln – auf sozialen Netzwerken teilen oder unser Essen fotografieren? Sind das nicht auch vor allem außergewöhnliche Speisen? Ebenso könnte das Gemälde Flegels das gesteigerte Selbstbewusstsein einer Bürgerschicht ausdrücken. Heute wie damals beruht das privilegierte Leben, zu dem besondere Speisen gehören, oft auf der Ausbeutung anderer.
Eine Jeans reist um die Welt
Wohl fast jede und jeder hat sie im Schrank: die Blue Jeans. Sie ist seit Generationen eines der beliebtesten Kleidungsstücke und wird von Jung wie Alt getragen. Seit ihrer Erfindung 1873 durch Jacob Davis und Levi Strauss, der aus dem oberfränkischen Buttenheim nach Amerika migrierte, ist die Hose weltweit Kult. Doch zeigt die heutige Herstellung die globalen Verflechtungen moderner Industrie: Vom Baumwollanbau über das Spinnen, Weben, Färben und Nähen bis zur Veredelung – häufig erfolgt jeder Schritt in einem anderen Land. Bei konventioneller Produktion legt eine Jeans mehr als 50.000 Kilometer zurück, bevor sie in den Handel gelangt. Sie reist sozusagen einmal um die Welt. Anhand dieses alltäglichen Objekts veranschaulicht die Ausstellung globale Lieferketten und regt an, den Umgang mit Kleidung kritisch zu hinterfragen.
Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20.30 Uhr
Telefon: 0911 13 31-0
www.gnm.de