100 Jahre Verkehrsmuseum Nürnberg: Meilenstein für Bahn und Post

Das 1925 eröffnete Museum hat eine lange Vorgeschichte. Seine Anfänge reichen im Fall der Eisenbahn bis in das Jahr 1882 zurück. 1899 wird das "Königlich Bayerische Eisenbahnmuseum" in einem ehemaligen Ausstellungspavillon an der Stelle der heutigen Norishalle eröffnet. 1902 kommt die Abteilung für Post und Telegrafie hinzu und aus dem Eisenbahnmuseum wird das Verkehrsmuseum. Das stetige Anwachsen der Sammlungen lässt das Museum bald an die Grenzen seines Fassungsvermögens stoßen.
Angesichts dieser Situation vereinbaren die Königliche Regierung und die Stadt Nürnberg, einen Neubau zu errichten. Die Stadt Nürnberg hat bereits 1899 mit der kostenlosen Bereitstellung des besagten Ausstellungspavillons großzügig und unbürokratisch geholfen. Auch jetzt werden beide Seiten wieder rasch einig: Die Stadt überlässt dem bayerischen Staat im Jahr 1910 unentgeltlich einen Bauplatz an der Lessingstraße auf dem Gelände des kurz zuvor abgerissenen Städtischen Spitals von 1845 und bezuschusst den Museums-Neubau mit 650.000 Mark. Die gesamten Baukosten, die sich Bahn und Post im Verhältnis 85:15 aufteilten, werden sich schließlich auf 1,3 Millionen Mark belaufen. Kurz nachdem im Sommer 1914 die Bauarbeiten beginnen, bricht der Erste Weltkrieg aus und verzögert die Fertigstellung. Erst 1923 wird der Bau vollendet und das Museum am 22. April 1925 eröffnet.
Rein äußerlich wirkt das Gebäude zum Zeitpunkt seiner Eröffnung reichlich unmodern: Der vor dem Ersten Weltkrieg durch den Bahnarchitekten Hans Weiß entworfene historisierende Bau, der seine in Stahlbeton ausgeführte Grundstruktur schamhaft hinter Natursteinfassaden versteckt, erinnert eher an ein Renaissanceschloss als an ein technisches Museum. Im Inneren ist das Haus jedoch sehr funktional und geräumig gestaltet. Insgesamt stehen nun 9.700 Quadratmeter Ausstellungsfläche zur Verfügung, 8.500 Quadratmeter für die Bahn und 1.200 Quadratmeter für die Post. Auch der Hof dient als Ausstellungsfläche: Eine Kleinbahn mit echter Dampflok umkreist die hier ausgestellten Signale und Gleisbau-Objekte.
Die "Liliput-Bahn" wird 1939 abgebaut und in den neuen Tiergarten am Schmausenbuck transferiert. Zu den Ausstellungsflächen hinzu kommen auf rund 2.900 Quadratmetern gemeinsam genutzte Räume. Darunter fallen der Festsaal mit seiner neun Meter hohen Decke und der anschließende "Rundfunkraum" besonders ins Auge: Die Ornamentik in beiden Räumen lehnt sich an den damals aktuellen Art-Deco-Stil an und hebt sich deutlich vom historisierenden Äußeren des Museums ab. Sowohl Bahn- als auch Postabteilung demonstrieren neben der historischen Entwicklung auch den aktuellen Stand der Technik bei Bahn, Post und Telegrafie. So kann das Publikum eine Rohrpostanlage, Geräte des gerade erfundenen Rundfunks, elektromechanische Stellwerke und beeindruckende Fahrzeugmodelle im Maßstab 1:10 bestaunen.
Ein wahres Schmuckstück in der Postabteilung ist der in Nussbaumholz gehaltene Briefmarkensaal: Die Besuchenden können hier auf ausziehbaren Tafeln 40.000 Briefmarken aus aller Welt betrachten. Durch den Gleisanschluss des Museums ist es nun möglich, Wagen und Lokomotiven in einer eigenen Halle zu zeigen, darunter die beiden bis heute erhaltenen Wagen aus dem Hofzug des bayerischen "Märchenkönigs" Ludwig II. Der "Adler", die verschollene Lokomotive der ersten deutschen Eisenbahn, ist zunächst nur als Modell im Maßstab 1:10 zu sehen. Zum Eisenbahnjubiläum 1935 fertigt die Reichsbahn einen betriebsfähigen Nachbau samt mehrerer Personenwagen, die auf dem Jubiläums-Ausstellungsgelände Zehntausende von Besuchenden auf einem Rundkurs transportieren. Erst zur Neueröffnung 1960 kommt der Nachbau der legendären Lokomotive ins Museum. Eine Besonderheit stellt das hauseigene Kino dar, das einzige staatliche Lichtspieltheater Deutschlands. Mit seinem Programm soll es als "Volksbildungs- und Volksbelehrungsmittel" wirken und als Mittel dienen, um, so die Direktion der Eisenbahnabteilung, "die toten Sammlungen zu beleben".
Was aus heutiger Sicht verwundert: Nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, der Millionen Kriegsversehrter hinterlassen hat, ist das Haus an keiner Stelle barrierefrei. Geh- oder sehbehinderte Menschen werden bei der Planung öffentlicher Bauten erst seit den späten 1960er Jahren berücksichtigt – ein Umstand, der die heutigen Museumsleitungen vor große Herausforderungen stellt. Nach der Eröffnung erlebt das Museum stürmische Jahrzehnte: Diktatur und Krieg, Wirtschaftswunder und Privatisierung von Bahn und Post – all dies hat das Renaissanceschloss an der Lessingstraße überstanden und sich dabei stets verändert und weiterentwickelt. Inzwischen sind die beiden Abteilungen "Bahn" und "Post", wie sie immer noch in der Inschrift über dem Eingang heißen, zu eigenständigen Museen geworden, die sich mit anspruchsvollen Ausstellungen, Programmen und Publikationen rund um Mobilität und Kommunikation hohes Ansehen im internationalen Maßstab erworben haben und zu den kulturellen Highlights der Region gehören. Getragen von zwei gesonderten Stiftungen wirken sie dennoch in einer partnerschaftlichen Gemeinschaft zusammen. Seien wir zuversichtlich, dass diese Gemeinschaft auch die Stürme der nächsten hundert Jahre überstehen wird.
DB Museum
Lessingstraße 6
90443 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – Fr 9 – 17 Uhr, Sa, So 10 – 18 Uhr
Telefon: 0800 32 68 73 86
dbmuseum.de