Im November 2019 fanden sich tanz- und theaterbegeisterte Laien in der Tafelhalle zusammen, um gemeinsam zu tanzen und mit unterschiedlichen theatralen Spiel- und Erzählformen zu experimentieren. Angeleitet von Künstler*innen der Region konnten sie die Ästhetik der Freien Tanz- und Theaterszene in Performance-Situationen und Workshops erforschen. Aus diesem gemeinsamen Arbeiten wuchs die Idee, ein performatives Projekt auf die Beine zu stellen.

In Zusammenarbeit mit dem Grassroots Thinktank Polis 180 e. V., die das Projekt initiierten, und dem französischen Performancekollektiv Collectif Sirènes, entstand "Zukunftsstädte".
Im Rahmen von Workshops haben sich die Teilnehmenden über mehrere Monate hinweg unter der künstlerischen Leitung von Sebastian Eilers, Beate Höhn und Stefanie Anna Miller intensiv mit Zukunftssthemen auseinandergesetzt, die gerade im urbanen Raum geballt aufeinandertreffen: Klimakrise, nachhaltige Mobilitätskonzepte, demografischer Wandel, neue Modelle des Wohnens und Arbeitens. Aus den Workshops ist eine tanzperformative Stadtführung der Zukunft entstanden, die im Oktober 2021 Premiere feierte (Wiederaufnahme April 2022).
Mit humorvollen Pop-up Performances, utopischen Szenen und energiegeladenen Interventionen führen die Teilnehmenden des Ensembles durch die Nürnberger Innenstadt und machen ihre Zukunftsvisionen sichtbar.

Weitere Informationen zum Stadt-Ensemble finden Sie hier.

Nürnberg als Zukunftsstadt

Grüne Nymphen, die sich in den Wasserstraßen der Zukunft räkeln, ihren Protest tanzende Bürger:innen am Jakobsplatz, Geo-Forscher:innen und Entdecker in der Karstadtpassage und am Hauptmarkt und ein fulminantes Ende im Augustinerhof.

Szenen aus der performativen Stadtführung durch ein Nürnberg der Zukunft, mit der das Stadt-Ensemble der Tafelhalle am Wochenende 23./24.10.2021 das Publikum begeisterte.

Zwei Stunden konnte das Publikum auf seinem Weg durch die „Zukunftsstädte“ zukunftsrelevante Themen erleben, welche die künstlerischen Leiter:innen Sebastian Eilers, Beate Höhn und Stefanie Anna Miller mit dem Ensemble über Monate geprobt hatten. Mit viel Leidenschaft und Engagement wurden hier Themen wie die Klimakrise, neue Modelle des Wohnens und Arbeitens, nachhaltige Mobilitätskonzepte oder demografischer Wandel aufgegriffen und eigene Utopien dazu entwickelt.

So konnten die Zuschauer:innen, die mit leuchtend blauen Kopfhörern ausgestattet durch das abendliche Nürnberg zogen, am Plärrer an einer Führung durch die grünen Hügel des neuentstandenen Biotops teilnehmen, bei der die Wiederansiedlung seltener Tierarten detailreich erklärt wurde. In einem Friseursalon in der Ludwigstraße trafen sie auf ein Mischwesen aus Mensch und Gemüse, das dort gerade seine auf dem Kopf wachsenden Brokkoliröschen nachschneiden ließ. Diese essbaren Ausscheidungen konnten die Teilnehmenden im „Stadt Hofladen“ auf Wunsch auch verkosten, und der renommierte Wissenschaftler „Prof. Dr. Sonnemann“ stand dort für ein Interview zur Verfügung. Am Jakobsmarkt formierte sich eine Protestbewegung, die getanzt Forderungen für eine lebenswerte Stadt zum Ausdruck brachte. Eine Fahrradchoreografie und eine akrobatische Einlage von BMX-Fahrern rundeten diese Nummer ab. Im Brunnen vom Ludwigsplatz räkelten sich derweil beseelt die grünen Wassernymphen, völlig glücklich darüber, dass das Nürnberg der Zukunft jetzt vollständig von Bewässerungskanälen durchzogen ist, in denen es sich sogar schwimmen lässt.

Selbst der 1. FCN ließ es sich nicht nehmen, Teil der Veranstaltung zu sein und stellte seinen riesigen Bildschirm am FCN-Shop für einen Film über Wohnformen der Zukunft zur Verfügung, den Marius Müller exklusiv für die Stadtführung erstellt hatte. Am Adlerparkhaus wurden die Zuschauer:innen zu einer Runde Ballettyoga animiert, bevor sie in der Karstadtpassage drei Wissenschaftler bei ihrem Diskurs zum Geoengineering entdecken konnten. Die Fleischbrücke wurde zum Austragungsort einer Diskussion zwischen zwei Nachbarinnen, die sich lautstark darüber zankten, ob ein Tinyhaus oder doch möglicherweise das Erdhügelhaus die bessere Wohnform darstellte. Als vorletzte Station der Reise in die Zukunft waren Forschende am Hauptmarkt bei einer sensationellen Entdeckung zu beobachten.

Am Ende fand sich das Ensemble im Augustinerhof vor dem Zukunftsmuseum ein: Hier wurde in nachdrücklichen Worten in einem Sprechchor Handeln statt Nichtstun in Bezug auf klimarelevante Themen gefordert. Den versöhnlichen Abschluss bildete danach eine aus einem getanzten Flashmob entstehende Tafelrunde, an der sich alle Teilnehmende in ihrer Sehnsucht nach Gemeinschaft zur gemeinsamen Mahlzeit versammelten und feierten.

Text: Sandra Müller

 

 

Regie, Choreografie, Konzept Sebastian Eilers, Beate Höhn, Stefanie Anna Miller
Mit Joscha Beer, Marion Beer, Lisa Friedmann, Ilka Geiselhart, Diana Gill, Thomas Heinl, Lea Höhn, Rosita Köhler, Riki Meier-Müller, Sandra Müller, Daniela Rutenkolk, Peter Tretter, Anastasiia Tsypin u. a.
Filme, Fotoinstallationen Marius Müller
Sprechstimme Meike Hess
Texte (Audio, Szenen) Sebastian Eilers, Beate Höhn, Stefanie Anna Miller, Sandra Müller
„Die Rechte der urbanen Natur" (Audio) Alex Putzer, Doktorand / Scuola Superiore Sant'Anna, Pisa
Sounddesign, Audioschnitt Sebastian Eilers, Joscha Beer
BMX Crew CYCLE TRAINING
Organisation Katrin Wagner/Tafelhalle

Ein herzlicher Dank geht an unsere Unterstützer:innen, ohne die das Projekt so nicht hätte verwirklicht werden können (in chronologischer Reihenfolge): Staatstheater Nürnberg/Maskenabteilung, Frisörladen Nabill, Alex Putzer, Stadt Hofladen, Rosa Kuh Hofmolkerei, 1. FCN, GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH, Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e. V., Karl August – Boutique & Design Hotel, Brasserie Nitz.

 

 

Wie möchten wir in Zukunft leben?

Diese Frage werden Menschen je nach Lebenssituation, Land und Alter ganz unterschiedlich beantworten. Doch selten gibt es Gelegenheit dazu, sich über nationale und gesellschaftliche Grenzen hinweg zu eigenen Visionen auszutauschen.

Das Projekt „Zukunftsstädte” möchte einen Dialog zwischen Deutschland und Frankreich initiieren und dazu ermutigen, gemeinsam über die Zukunft nachzudenken. Dafür ist die Stadt ein besonderer Ort, an dem viele Fragen aufeinandertreffen: die Klimakrise, nachhaltige Mobilitätskonzepte, der demografische Wandel, neue Modelle des Wohnens und Arbeitens.

In Zusammenarbeit mit dem Grassroots Thinktank Polis 180 entwickeln das Tafelhalle Stadt-Ensemble und das französische Performancekollektiv Collectif Sirènes aus Bagnolet bei Paris jeweils eine performative Stadtführung für die Stadt der Zukunft – im gegenseitigen Austausch und begleitet durch digitale Input-Vorträge zu Zukunftsthemen (Premiere Herbst 2021).

Im November 2019 gründete sich das Tafelhalle Bürger*innen-Ensemble. Zusammen mit Künstler*innen aus den Bereichen Tanz und Theater experimentieren die Teilnehmenden mit der Ästhetik der Freien Szene und lernen deren Spiel- und Erzählformen in Performance-Situationen und Workshops kennen – in der Tafelhalle, und coronabedingt auch open Air und digital. Momentan umfasst das Ensemble ca. 15 Mitwirkende verschiedener Altersgruppen.

Die künstlerischen Leiter*innen sind die Choreografin Beate Höhn, die seit fast 20 Jahren die Freie Szene, auch im Bereich partizipative Projekte, bereichert, Stefanie Anna Miller, Theaterpädagogin & Performerin, die sich im Bereich Performing Arts & Inklusion in der Region einen Namen gemacht hat, sowie der Choreograf Sebastian Eilers, der langjährige Erfahrungen in der Arbeit mit Lai*innen in seinen eigenen choreografischen Tanztheaterproduktionen einbringt.

Im Durschnitt finden pro Monat zwei Workshops statt, die abwechselnd von Beate Höhn, Stefanie Miller und Sebastian Eilers geleitet werden. Das Ensemble wird von der Tafelhalle Nürnberg koproduziert und koordiniert.