Radikal an der Basis – neue BR-Dokumentation über das KOMM

Vor 50 Jahren startete das KOMM in Nürnberg: Es schrieb Demokratiegeschichte. 1997 endete das Experiment. Der BR erzählt in einer Doku die Geschichte des Kommunikationszentrums, die ab Mittwoch, den 17.5.2023 in der Mediathek verfügbar ist.

Am 10. Mai zeigte der Bayerische Fundfunk im Filmhaus Nürnberg die Vorpremiere seiner neuen Dokumenation "Radikal an der Basis" über das sogenannte KOMM, ein selbstverwaltetes Kommunikationszentrum, das 23 Jahre lang im heutigen Künstlerhaus beheimatet war. Dabei anwesend die Macher*innen und Verantwortlichen beim Bayerischen Rundfunk, die einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Films gaben:

[Beitrag von Michael Reiner]

Das Nürnberger Kommunikationszentrum, kurz "KOMM" genannt, und der Bayerische Rundfunk – es ist eine schwierige Geschichte. Daraus macht Tassilo Forchheimer, Leiter von BR-Franken, vor der Uraufführung des Dokumentarfilms "Radikal an der Basis – Das Nürnberger KOMM" kein Geheimnis. "Der BR und das KOMM waren damals nicht gerade Medienpartner", sagt er. Der Bayerische Rundfunk habe vor allem dann berichtet, wenn es im oder rund um das KOMM Probleme gab.

Ein Ort der Demokratiegeschichte

Umstritten war das basisdemokratisch selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentrum unter städtischer Trägerschaft seit seinen Anfangstagen in den Jahren 1973/1974. Vor allem in konservativen Kreisen und bei der CSU. Trotzdem: Das KOMM "hat deutsche Demokratiegeschichte geschrieben, es war ein wichtiges Experiment für das ganze Land", sagt Forchheimer. Deshalb, so hofft er, wird der Film "eine Leerstelle beim Bayerischen Rundfunk" füllen.

Mühsame Suche nach historischen Aufnahmen

Autorin Kerstin Dornbach fand deswegen kaum eigenes Filmmaterial, auf das sie zurückgreifen konnte. "Dieses Innenleben, diese Vielfalt im Haus, da hat der BR damals einfach wenig gedreht", sagt sie. "Ich habe wahnsinnig viele unterschiedliche Quellen anzapfen müssen. Es war eine intensive Archiv-Recherche, die mich über Monate begleitet hat." Das Wühlen und Anfragen bei anderen hat sich gelohnt. Die historischen Bilder, oft schwarz-weiß, grobkörnig und verwackelt, bringen das Lebensgefühl im KOMM für kurze Zeit zurück ins Künstlerhaus.

"Ein praller Film"

Dort sehen sich im Filmhauskino auch viele ehemalige "KOMMler", wie sie sich selbst nennen, den Dokumentarfilm an. Nach dem Ende des KOMM im Jahr 1996/1997 wurde das Haus umgebaut. Der markante Kopfbau des Gebäudes wurde abgerissen. Ein Glaskubus zeigt seitdem an, dass sich das einst bundesweit beachtete soziokulturelle Zentrum verändert hat. Jetzt heißt es wieder Künstlerhaus. "Es kam viel von dem Klima rüber", sagt Jutta Küppers, die das KOMM als junge Frau mitgestaltet hat. "Für das wenige Material, das es gibt, ist der Film richtig prall. Respekt."

Aufarbeitung der Massenverhaftung

"Der Film hat das Lebensgefühl der damaligen Zeit getroffen, aber auch die Schwierigkeiten", sagt Matthias Strobel, früher städtischer Mitarbeiter im KOMM. "Die Aufarbeitung von 1981 war sehr schön." 1981 – am Abend des 5. März ziehen damals rund 150 Jugendliche nach einer Veranstaltung im KOMM spontan durch die Nürnberger Innenstadt. Sechs Schaufensterscheiben gehen dabei zu Bruch, mehrere Autoantennen werden abgeknickt. Die Demonstranten kehren gegen 23 Uhr ins KOMM zurück. Kurz danach riegelt die Polizei das Gebäude ab. Alle, egal ob vorher bei der Demo oder nicht, werden verhaftet: 141 Personen, darunter mehr als die Hälfte unter 21 Jahren.

Skandal löst einen Hype aus

Damals war Renate Schmidt (SPD) neu gewählte Bundestagsabgeordnete. Das KOMM lag in ihrem Wahlkreis. "141 junge Leute einfach in Gefängnisse in ganz Bayern zu bringen, ihre Eltern, soweit sie Minderjährige waren, nicht zu informieren, war einer der größten Justizskandale nicht in Nürnberg, sondern in der gesamten Republik", sagt sie im Film. Die Massenverhaftung schlägt hohe Wellen und löst einen Hype ums KOMM aus.

Im Herbst startet das sanierte Künstlerhaus

Neue Besucher strömen ins KOMM. Nur noch wenige, um sich zu engagieren, dafür viele um hier einfach ihre Bühne zu finden. Die Massenverhaftung waren ein Bruch. Die Doku zeigt, wie es mit dem Haus weiterging. "Ich habe gemerkt, dass da so eine ganz eigene Energie hochkommt, die einen motiviert zu sagen, jetzt freue ich mich, dieses Haus aufzumachen", sagt Anna Schwarm, die heutige Leiterin des Künstlerhauses. Im Herbst soll das gesamte Gebäude – dann saniert und in Teilen umgebaut – wiedereröffnet werden.


Ab 17. Mai in der Mediathek

In der Sendereihe DokThema ist "Radikal an der Basis – Das Nürnberger KOMM“ am 17.05.2023 um 22.00 Uhr im BR Fernsehen zu sehen. Unter diesem Link ist die Dokumentation ebenfalls in der ARD Mediathek abrufbar.

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