Hommage Vittorio De Sica
5.12. bis 27.12.2024
Vittorio De Sica (1901–1974) zählt zu den bedeutendsten und produktivsten Persönlichkeiten der italienischen Filmgeschichte. Seine Filmografie umfasst 35 Regiearbeiten sowie mehr als 150 Filme, in denen er als Darsteller mitwirkte. Neben Roberto Rossellini und Luchino Visconti war er einer der zentralen Vertreter des Neorealismus. Seine Filme wurden mit den Hauptpreisen in Cannes und bei der Berlinale sowie viermal mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet.
Das Filmhaus zeigt in einer Retrospektive – zum großen Teil als 35-mm-Kopien – sieben seiner Regiearbeiten sowie fünf herausragende Filme aus De Sicas Schauspielkarriere.
Vittorio De Sica begann als Darsteller am Theater, ehe er von Mario Camerini fürs Kino entdeckt wurde. In der Rolle des jugendlichen Liebhabers in musikalischen Komödien avancierte er in den 1930er Jahren zu einem der populärsten Schauspieler Italiens. 1940 konnte De Sica erstmals selbst Regie führen. Prägend für seine Filme wurde die Begegnung mit dem Drehbuchautor Cesare Zavattini, mit dem er ab 1941 bei fast allen seiner Regiearbeiten kooperierte. Zavattini sah die Möglichkeiten des Films „als Spiegel der sozialen Verfassung“ und schrieb mit SCHUHPUTZER (1946) einen Film, der zusammen mit Rossellinis ROM, OFFENE STADT (1945) als neuer filmischer Stil gefeiert wurde. Mit Laien an Originalschauplätzen gedreht, zeigt der Neorealismus in einer Mischung aus Melodramatik und genauer Milieubeobachtung die Realität Nachkriegsitaliens und nimmt Anteil am Schicksal der Ärmsten der Gesellschaft. SCHUHPUTZER sowie die nachfolgenden Filme FAHRRADDIEBE (1948) und WUNDER VON MAILAND (1951) wurden von der Kritik gefeiert und mit internationalen Preisen ausgezeichnet. Der Abschluss der neorealistischen Tetralogie, UMBERTO D. (1952), der heute als ein Höhepunkt von De Sicas Werk betrachtet wird, geriet jedoch zum kommerziellen Misserfolg.
De Sica, dessen Anprangerung gesellschaftlicher Missstände nach Meinung konservativer politischer Kreise gegen die Interessen der Nation verstieß, hatte als „Poet der schmutzigen Wäsche“ zunehmend Schwierigkeiten, seine Filme in Italien zu produzieren. In den 1950er Jahren wirkte er in über 50 Filmen mit, um mit dem als Schauspieler verdienten Geld seine Regiearbeiten finanzieren zu können. Viele dieser Filme bleiben nicht zuletzt wegen De Sicas Schauspielkunst in Erinnerung. In seiner unnachahmlichen Art spielte er oft den Bonvivant, agil und eitel, das Umwerben der Frauen zur Kunst verfeinernd, alles mit subtiler Ironie relativierend. Eindrucksvolle Verkörperungen ernster Rollen wie in Ophüls’ MADAME DE ... (1953) und Rossellinis DER FALSCHE GENERAL (1960) sind Zeugnis seiner Vielseitigkeit.
In den 1960er Jahren wandte sich De Sica als Regisseur zunehmend leichteren Stoffen zu und drehte überwiegend Komödien, in Italien bevorzugt mit dem Paar Loren-Mastroianni, in Hollywood u. a. mit Peter Sellers und Shirley MacLaine. Obwohl das Jahrzehnt gemeinhin als eine Zeit betrachtet wird, in der der Regisseur De Sica an Bedeutung verlor, entstanden auch in diesen Jahren herausragende Filme unter seiner Regie, darunter das Kriegsdrama UND DENNOCH LEBEN SIE (1960), das Sophia Loren zur Anerkennung als Charakterdarstellerin verhalf, die grimmige Commedia all’italiana IL BOOM (1963), die bedauerlicherweise aus rechtlichen Gründen nicht in dieser Retrospektive gezeigt werden kann, sowie das preisgekrönte Spätwerk DER GARTEN DER FINZI CONTINI (1970) über das Schicksal italienischer Jüdinnen und Juden zur Zeit des Faschismus.