Kino der Recherche: Retrospektive Francesco Rosi

 

13.11. bis 10.12.2025

 

Auch dieses Jahr präsentieren wir im November das Werk einer Größe des italienischen Kinos. Das Filmhaus zeigt insgesamt zehn Filme Francesco Rosis aus vier Jahrzehnten, größtenteils in der untertitelten Originalfassung, vier davon als 35-mm-Kopien.

 

 

Francesco Rosi (1922—2015) war eine der zentralen Figuren des Post-Neorealismus im italienischen Kino. Als engagierter Chronist der politischen und sozialen Nachkriegsgeschichte Italiens schilderte er die Kluft zwischen Stadt und Land, zwischen reichem Norden und armem Süden anhand von gesellschaftspolitischen Filmen, die den Filz zwischen Mafia, Macht und Kapital untersuchen. Sein zwischen 1958 und 1997 entstandenes Werk, eine Kombination aus sozialpolitisch engagiertem Autorenfilm und Genrekino, beeinflusste zahlreiche Regisseure, von Costa-Gavras, Gillo Pontecorvo und Ken Loach bis hin zu Francis Ford Coppola und Martin Scorsese. 

Rosis Geburtsstadt Neapel spielt in mehreren seiner Filme eine bedeutende Rolle. Nach einem Jurastudium und Militärdienst arbeitete er nach dem Krieg als Buchillustrator, dann als Sprecher, Autor und Regisseur bei Radio Neapel. 1946 ging er als Bühnenautor und -schauspieler nach Rom. 1948 kam er zum Film, war als Regieassistent unter anderem von Luchino Visconti, Luciano Emmer, Michelangelo Antonioni und Mario Monicelli tätig, ab 1951 auch als Drehbuchautor. Bei Visconti lernte er während der Dreharbeiten zu DIE ERDE BEBT, wie man aus dokumentarischen Beobachtungen eine Erzählung baut. So stellte schon sein Debütfilm DIE HERAUSFORDERUNG aus dem Jahre 1958 eine bemerkenswert souveräne Ausformung seines späteren Werks dar: Die Geschichte eines Zigarettenschmugglers, der in den Gemüsegroßhandel einsteigt und damit die Camorra herausfordert, ermöglichte es ihm, sehr genau die sozialen Verhältnisse von Neapel und dessen landwirtschaftlichem Einzugsgebiet darzustellen. Nach einem beeindruckenden Ausflug nach Westdeutschland — vom unmöglichem deutschen Verleihtitel AUF ST. PAULI IST DER TEUFEL LOS sollte man sich nicht irritieren lassen —, gelang Rosi mit WER ERSCHOSS SALVATORE G.? 1962 der internationale Durchbruch. Der Film ist ein erster Höhepunkt seiner »Cineinchieste«: Als Recherchefilme bzw. filmische Untersuchungen, hat er den Stil seiner frühen Filme bezeichnet, eine Methode, das Erzählkino als eine Form von Investigation zu nutzen, mit der er versuchte, komplexe, von staatlichen wie kriminellen Interessensgruppen bewusst verfälschte Ereignisse mit größtmöglicher Objektivität zu analysieren. 

Viele Filme Francesco Rosis gleichen einem Prozess. Die Fakten werden nüchtern und sachlich präsentiert, auf der Suche nach dem »Augenblick der Wahrheit«. Zentrale Themen sind Machtgier, Kontrolle der Gesellschaft und der Bevölkerung — sei es durch Krieg, organisiertes Verbrechen oder durch Politik. Oft geht es um die Verstrickung zwischen Bandenkriminalität und Politik, um politisch motivierte Morde, vor allem aber: um die Aufdeckung von Gewaltstrukturen, darum, den übergreifenden Zusammenhang, die Welt der Politik aus einem möglichst weiten Blickwinkel abzubilden und dabei soziale und ökonomische Zusammenhänge einzubeziehen. 

Mit einem seiner herausragenden Filme, CHRISTUS KAM NUR BIS EBOLI (1979), einer Adaption von Carlo Levis Erinnerungen an seine Verbannung in ein süditalienisches Bergdorf zur Zeit des Faschismus, begann eine neue Periode in Rosis Werk. Nach den »Filmen der Anklage« wandte er sich vermehrt Literaturverfilmungen zu und adaptierte u.  a. Georges Bizets Oper »Carmen« (1984). Nach einer letzten Rückkehr zum Mafiafilm mit PALERMO VERGESSEN (1989) beschließt DIE ATEMPAUSE (1997), basierend auf Primo Levis autobiografischer Erzählung über seine Befreiung aus Auschwitz, Rosis Filmografie. Über die spezifisch italienischen Themen hinaus betonte Rosi die allgemeinen Aspekte gesellschaftspolitischer Prozesse, weshalb sich seine Filme bis heute eine anhaltende Zeitlosigkeit bewahrt haben. »Ich fühle mich in erster Linie als Künstler. Aber eine präzise sozialpolitische Stellungnahme zu dem Stoff, den ich behandle, ist gleichzeitig ein elementares Gebot bei der künstlerischen Bewältigung dieses Stoffes, der in all meinen Filmen nun einmal ein sozialpolitischer war.« 

Unser Dank gilt Cinecittà Luce, Rom. 

Szenenbild aus dem Film AUF ST. PAULI IST DER TEUFEL LOS
Retrospektive Francesco Rosi

Auf St. Pauli ist der Teufel los
Einführung: Winfried Günther

Fr / 14.11.2025 / 18:30 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film WER ERSCHOSS SALVATORE G.?
Retrospektive Francesco Rosi

Wer erschoss Salvatore G.?

Sa / 15.11.2025 / 18:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film CARMEN
Retrospektive Francesco Rosi

Carmen

So / 16.11.2025 / 11:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film HÄNDE ÜBER DER STADT
Retrospektive Francesco Rosi

Hände über der Stadt

So / 16.11.2025 / 19:30 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus Film AUGENBLICK DER WAHRHEIT
Retrospektive Francesco Rosi

Augenblick der Wahrheit

Do / 20.11.2025 / 19:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film BATAILLON DER VERLORENEN
Retrospektive Francesco Rosi

Bataillon der Verlorenen

Fr / 21.11.2025 / 19:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film DIE MACHT UND IHR PREIS
Retrospektive Francesco Rosi

Die Macht und ihr Preis

Sa / 22.11.2025 / 18:45 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film CHRISTUS KAM NUR BIS EBOLI
Retrospektive Francesco Rosi

Christus kam nur bis Eboli

So / 23.11.2025 / 16:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film DIE ATEMPAUSE
Retrospektive Francesco Rosi

Die Atempause

Fr / 05.12.2025 / 19:00 Uhr Icon mehrsprachig
Szenenbild aus dem Film PALERMO VERGESSEN
Retrospektive Francesco Rosi

Palermo vergessen

Sa / 06.12.2025 / 19:00 Uhr Icon mehrsprachig