Retrospektive Teil 2.

„Mein Name ist John Ford. Ich mache Western.“ Die wohl am häufigsten zitierten Sätze Fords (mit denen er sein Eintreten für den Kollegen Joseph L. Mankiewicz’ einleitete, dem zur Zeit der McCarthy-Ära Sympathien für den Kommunismus nachgesagt wurden) können leitmotivisch für den zweiten Teil unseren umfangreichen Retrospektive gelesen werden. John Fords Spätwerk wird überstrahlt von einer Reihe von Western, die Filmgeschichte geschrieben haben. 13 seiner 15 Tonfilm-Western entstanden zwischen 1946 und 1964. Das Filmhaus präsentiert neun davon, ungekürzt, überwiegend in der englischsprachigen Originalfassung und zum Teil in neuen 35-mm-Kopien.

Fords Verehrung für Amerika, den zentralen Momenten seiner Geschichte, ihrer mythischen Dimension und ihren Legenden ist ein wesentliches Element seines Werks. Immer wieder geht es um die Landnahme, die gewaltsame Urbarmachung des amerikanischen Westens, den Konflikt zwischen Zivilisation und Wildnis, Faustrecht und Demokratie. Seine Protagonisten sind auf der Suche nach Gemeinschaft, Heimat und Identität, nach Glück und Würde in einem historisch-geografisch-emotionalen Zusammenhang, den Ford selbst „Territory” genannt hat. Immer ist dieses Territory Gefahren, Angriffen und Zerstörungen ausgesetzt, ist das Zuhause bedroht oder geht verloren. Was eben noch als Idylle erschien, verliert das Fundament. Immer wieder geht es um Verluste: von Menschen, von Utopien, von Orten, von Identitäten. Fords Helden sind zumeist Einsame, Außenseiter, Einzelgänger, die vor allem in den Western vor dem Hintergrund einer vermeintlich grenzenlosen Natur oder übermächtigen Landschaft (weite Steppen oder das klaustrophobische Monument Valley) Gemeinschaft stiften, selbst jedoch oft keine finden. In seinen späteren Filmen hat Ford sich immer mehr den Kosten zugewandt, die mit dem Erfolg der Landnahme und der Zivilisation verknüpft waren, immer offener die Widersprüche gestaltet, die von der „nationalen Identität“ nur notdürftig zugedeckt werden.

Der mythopoetischen Verklärung der Legende Wyatt Earp in FAUSTRECHT DER PRÄRIE (1946) folgten ab 1948 mit der sogenannten Kavallerie-Trilogie Filme, deren Grundton ambivalenter, nachdenklicher und melancholischer ist, als in Fords vorangegangenen Western. BIS ZUM LETZTEN MANN (1948) thematisiert kritisch die Behandlung der Indianer durch die Weißen und zeigt einen arroganten, ruhmsüchtigen und wortbrüchigen Kommandeur der U.S. Army. DER TEUFELSHAUPTMANN (1949) erzählt in rückblickender Perspektive von einem einsamen Offizier am Vorabend seiner Pensionierung und RIO GRANDE (1950) ist im Kern ein Familienfilm, die Geschichte eines Paars, das durch den Bürgerkrieg zerrissen wurde.

Der große kommerzielle Erfolg der Kavallerie-Trilogie ermöglichte John Ford die Verwirklichung eines lange geplanten Projekts: In Irland, dem Land seiner Eltern, drehte er die Komödie DER SIEGER (1952). „Wenn Ford nicht von Amerika erzählte, träumte er von Irland. Irischer Katholizismus, jene Mischung aus tiefer Gläubigkeit und burlesker Vitalität, zugleich eine tiefe Verbundenheit mit der Idee des Familienzusammenhalts, bestimmte den Ton vieler seiner Filme, auch wenn sie fern von Irland in der neuen Welt spielen.“ (Hans Helmut Prinzler). DER SIEGER wurde zu einem der erfolgreichsten Filme John Fords, ausgezeichnet u.a. mit einem Oscar für die Beste Regie. 1956 entstand Fords berühmtester Western: Das Meisterwerk DER SCHWARZE FALKE leitet einen neuen Zug in Fords Schaffen ein, indem er den alten Grenzermythos in einem nüchternen, desillusionierenden Licht zeigt. Eine Heimkehr ist für den verbitterten Bürgerkriegsveteran nicht mehr möglich, besagt das ikonisch gewordene Schlussbild (gleichzeitig unser Titelbild): „Der Moby Dick des Western, ein revidierter Lederstrumpf, die Geschichte Amerikas. Die Tür zu einem neuen Land hat sich geöffnet. Die Tür zu einem neuen Land hat sich geschlossen.“ (Joe Hembus). DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS (1962), ein düsterer, selbstreflexiver Schwarzweiß-Film über die Mythen des Westens und den Preis der Zivilisation, gilt als letzter großer Film seiner Karriere. Nach zwei kommerziellen Flops, darunter Fords kostspieligste Produktion und gleichzeitig sein letzter Western, CHEYENNE AUTUMN (1964), sowie einer Arbeit, die krankheitsbedingt von einem anderen Regisseur fertiggestellt werden musste, war 7 FRAUEN (1966) der letzte Spielfilm, den Ford beenden konnte. John Ford starb am 31. August 1973 in Palm Desert, Kalifornien im Alter von 79 Jahren.

 

Retrospektive Teil 1.

John Ford (1894–1973) ist eine der überragenden Persönlichkeiten der Filmgeschichte, ein „Meister von Shakespeare’schem Format“, wie ihn Harry Tomicek nannte. Vier Mal wurde Ford mit dem Oscar für die Beste (Spielfilm-)Regie ausgezeichnet, zwei Mal für einen Dokumentarfilm, häufiger als irgendjemand sonst. Darunter befindet sich kein einziger Western, für die Ford besonders bekannt ist und die etwa die Hälfte seiner mehr als 140 Regiearbeiten ausmachen. Jenseits der Western realisierte er Kriegs- und Abenteuerfilme, Familiengeschichten, Dokumentarfilme, Irish Pictures, Americana, Kriminalfilme, Sozialdramen und Komödien. Ford gilt als einer der einflussreichsten Regisseure in der Geschichte des Films. Sein Werk erfuhr größte Wertschätzung von Filmemachern unterschiedlichster Herkunft und Generation (u.a. Jean-Luc Godard, Martin Scorsese, Guy Debord, Alfred Hitchcock, Herbert Achternbusch, François Truffaut, Pedro Costa, Federico Fellini, Akira Kurosawa, Sergio Leone, Jean-Marie Straub, Satyajit Ray, Steven Spielberg, Jean Renoir u.v.a.). Ingmar Bergman bezeichnete ihn als den „besten Regisseur der Welt“, Frank Capra sah ihn als „König der Regisseure“ und Orson Welles antwortete auf die Frage, welche Filmemacher ihn am meisten beeinflusst hätten: „Die alten Meister. Und damit meine ich John Ford, John Ford und John Ford.“

John Ford kam als John Martin Feeney als jüngstes von 13 Kindern eines irischen Einwandererehepaars in Cape Elizabeth im US-Bundesstaat Maine zur Welt. Durch seinen Bruder Francis Ford – dem Regisseur von mehr als 170 Stummfilmen und Darsteller in fast 500 Filmen, darunter später zahlreiche Arbeiten seines berühmten Bruders – gelangte John Ford 1913 nach Hollywood. Er arbeitete zunächst als Assistent und Stuntman, ehe er ab 1917 eigene Filme realisierte, bis 1923 unter dem Namen Jack Ford. Die meisten dieser Ein- und Zweiakter, fast ausschließlich Western, gelten heute als verloren. Von den annähernd 70 Stummfilmen John Fords ist weniger als ein Dutzend erhalten. Der erste beachtliche kommerzielle Erfolg gelang ihm mit der Großproduktion DAS FEUERROSS (1924), einem Western von epischer Breite. 1928 folgte der erste Tonfilm, 1935 der Durchbruch bei der Kritik: DER VERRÄTER, die Geschichte eines Denunzianten aus den Reihen der IRA während des irischen Unabhängigkeitskampfs Anfang der 1920er Jahre, wurde mit vier Oscars ausgezeichnet, einer davon ging an Ford für die Beste Regie, ein weiterer, für die

Beste Hauptrolle, an Victor MacLaglen, einem der regulars aus Fords Schauspielertruppe, mit dem er insgesamt zwölf Filme inszenierte. 1939 drehte Ford im Verlauf eines Jahres vier herausragende Filme: RINGO, der Auftakt zu einer 14 Hauptrollen umfassenden Zusammenarbeit mit John Wayne und Fords erster Western seit 1926, der das Genre nachhaltig wiederbelebte; YOUNG MR. LINCOLN, über den späteren USPräsidenten, wiederum der Beginn von sechs gemeinsamen Filmen mit Henry Fonda, darunter die beiden direkt nachfolgenden TROMMELN AM MOHAWK, Fords erster Farbfilm, und FRÜCHTE DES ZORNS, nach dem Roman von John Steinbeck. Fords letzter Spielfilm vor Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg, SO GRÜN WAR MEIN TAL (1941), wurde sein größter Erfolg, ausgezeichnet sowohl mit dem Oscar für die Beste Regie wie für den Besten Film. Von 1942 bis 1944 stand Ford im Rang eines Lieutenant Commander bei der US-Navy im Dienst, für die er mehrere Dokumentarfilme drehte, u.a. den oscarprämierten Kurzfilm SCHLACHT UM MIDWAY (1942). Der erste Film nach Kriegsende, FAUSTRECHT DER PRÄRIE (1946) markiert den Auftakt zu einer Reihe von meisterhaften Western, von denen wir eine Auswahl im Juli-Programm zeigen werden.

Die Filme von John Ford haben das Amerika-Bild von Generationen von Kinogängern geprägt und können auch heute noch einen Beitrag zum Verständnis der amerikanischen Mythen liefern. Sie erzählen von der Geschichte Amerikas und seinen Menschen, nicht als faktengenaue Rekonstruktion, sondern in einer Art von Legendenform. Der Kernpunkt der Filme ist die Bedeutung der Familie und der Gemeinschaft, Geborgenheit und Glück, die in einer Mischung aus Bewunderung, Zartheit und Humor zum Ausdruck kommt. Dennoch sind Fords Helden weniger diejenigen, die in der Gemeinschaft aufgehen, sondern die unangepassten und ewigen Sucher, die starken, störrischen und unbeugsamen Männer, deren Taten der Gemeinschaft zugutekommen mögen, die selbst aber einsame Außenseiter bleiben. Fords Filme sind von großer ästhetisch-stilistischer Schönheit, erreicht durch eine Einfachheit von Handlung und Form, die auf eine seltene Weise deckungsgleich werden. Sie reichen von expressionistisch-düsteren Werken, die in den späten 20er und frühen 30er Jahren entstanden sind und den Einfluss F.W. Murnaus erkennen lassen (wie z.B. DER VERRÄTER), bis zu seinen späten stark reduzierten, schnörkellosen Western. Das Filmhaus zeigt in einer umfangreichen Retrospektive vom 1.6. bis 6.8. insgesamt 25 Filme John Fords aus den Jahren 1928 bis 1962. Neben bekannten Klassikern sind hierzulande weitgehend unbekannte Arbeiten Teil der Werkschau. In Deutschland wurden viele seiner Filme, wenn sie den Weg ins Kino fanden, verstümmelt und um bis zu 30 Minuten gekürzt. Wir zeigen Fords Filme zum großen Teil in der ungekürzten Originalfassung und sind mit Frieda Grafe einer Meinung: „Es gibt keine Filme, die das Kino notwendiger brauchen als seine. Das Kino, das heißt: die Leinwand und das Publikum im Saal.“

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Retrospektive John Ford

Doctor Bull

So / 01.06.2014 / 17:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

Ringo - Höllenfahrt nach Santa Fé

So / 01.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Der Verräter

Do / 05.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Steamboat Round the Bend

Fr / 06.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Früchte des Zorns

Sa / 07.06.2014 / 17:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

Ringo - Höllenfahrt nach Santa Fé

Sa / 07.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Young Mr. Lincoln

So / 08.06.2014 / 17:00 Uhr
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Der Verräter

So / 08.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

So grün war mein Tal

Mo / 09.06.2014 / 17:00 Uhr
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Steamboat Round the Bend

Mi / 11.06.2014 / 19:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

Früchte des Zorns

Do / 12.06.2014 / 19:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

Früchte des Zorns

Fr / 13.06.2014 / 19:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

Trommeln am Mohawk

Sa / 14.06.2014 / 17:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

So grün war mein Tal

Sa / 14.06.2014 / 19:00 Uhr
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Retrospektive John Ford

So grün war mein Tal

So / 15.06.2014 / 17:00 Uhr
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Doctor Bull

So / 15.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Trommeln am Mohawk

Mo / 16.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

Young Mr. Lincoln

Di / 17.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

The World Moves On

Do / 19.06.2014 / 19:15 Uhr
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Retrospektive John Ford

The Whole Town's Talking

Fr / 20.06.2014 / 19:15 Uhr