Valerio Zurlini (1926–1982) schuf in der goldenen Ära des italienischen Kinos mit acht Spielfilmen ein so überschaubares wie beeindruckendes Werk von großer Sensibilität und Intensität. Obwohl Zurlini mit dem europäischen Star-System arbeitete und dessen Aushängeschilder zu Höchstleistungen führte – Marcello Mastroianni, Claudia Cardinale, Alain Delon, Jean-Louis Trintignant, Anna Karina, Vittorio Gassman, Philippe Noiret, Mario Adorf, Lea Massari, Max von Sydow, Giancarlo Giannini, Marie Laforêt, Jacques Perrin u. a. – blieb er mit seinen alterslosen Filmen, die keinem Trend folgten, ein Einzelgänger und Außenseiter der italienischen Filmindustrie. Wie Pasolini war Zurlini Christ und Kommunist, was für ihn keinen Widerspruch darstellte. Sein mit großer Sorgfalt und filmischer Kraft geschaffenes Werk ist geprägt von Menschlichkeit, emotionaler Tiefe und einer existentiellen Traurigkeit. Wiederkehrende Themen sind die Unmöglichkeit einer dauerhaften Liebesbeziehung, die Entfremdung der Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Krieg, Einsamkeit und Verlorenheit. Das Filmhaus zeigt erstmals in Deutschland eine umfassende Retrospektive der Filme von Valerio Zurlini.

Geboren 1926 in Bologna, kämpfte Zurlini zwischen 1943 und 1945 als junger Mann gegen die deutsche Besatzung. Der 2. Weltkrieg sollte später wiederholt in seinen Filmen eine bedeutende Rolle spielen. Nach dem Krieg studierte er Jura- und Kunstgeschichte, schloss sich einer Studententheatergruppe an und wurde Regieassistent an einem Mailänder Theater. 1949 wandte er sich in Rom dem Film zu. Bis 1953 entstand ein Dutzend kurzer Dokumentarfilme, ehe er 1954 seinen ersten abendfüllenden Film, die Auftragsarbeit DIE SCHÖNEN MÄDCHEN VON FLORENZ, drehen konnte. Als sein eigentliches Debüt betrachtete Zurlini WILDER SOMMER (1959); die Geschichte einer unmöglichen Liebe vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs war gleichzeitig sein künstlerischer Durchbruch. In relativ kurzer Zeit folgten zwei weitere Filme, die die Schwierigkeit emotionaler Bindungen zwischen Menschen unterschiedlicher Sozialisation behandeln. Mit dem bereits seit Mitte der 1950er Jahre geplanten Projekt DAS MÄDCHEN MIT DEM LEICHTEN GEPÄCK (1961), über eine ledige junge Mutter (Claudia Cardinale), die auf einen gesellschaftlichen Aufstieg hofft, schuf Valerio Zurlini vielleicht seinen schönsten Film. Im Jahr darauf folgte mit TAGEBUCH EINES SÜNDERS, der tragischen Geschichte zweier entfremdeter Brüder (Marcello Mastroianni, Jacques Perrin) Zurlinis größter Erfolg, ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen beim Festival in Venedig. Danach wurden die Pausen zwischen den Filmen zunehmend größer. In den verbleibenden zwei Jahrzehnten bis zu seinem frühen Tod 1982 realisierte Zurlini nur noch vier Filme. Von Selbstzweifeln geplagt, vernichtete er mehrere seiner Drehbücher. Andere Projekte wurden von Produzenten als zu teuer, zu ambitioniert oder zu persönlich abgelehnt. Alf Bold schrieb anlässlich des Starts seines letzten Films DIE TATARENWÜSTE 1977: „Valerio Zurlini ist einer der wenigen Regisseure, die nur dann Filme machen, wenn dies ausschließlich zu ihren Bedingungen möglich ist. Deshalb ist, ähnlich wie bei Dreyer oder Straub, die Filmografie an Zahl gering, an Qualität aber sehr beeindruckend.“

Ab 11. Juni 2021 können Sie diese Retrospektive endlich bei uns auf der großen Leinwand sehen! Die neuen Spieltermine finden Sie in Kürze hier.