Isabelle Huppert ist eine Ausnahmeerscheinung unter den zeitgenössischen Schauspielerinnen. Sie gehört nicht nur seit mehr als 40 Jahren zu den international erfolgreichsten Darstellerinnen, sie ist auch eine der mutigsten, was die Wahl ihrer Rollen angeht – für das Kino wie für das Theater. Seit 1971 hat sie in über 130 Filmen gespielt, dabei mit den unterschiedlichsten Regisseuren zusammengearbeitet und verschiedenartigste Charaktere verkörpert – häufig komplexe Frauenfiguren, die sich vom männlichen Blick befreien wollen. Isabelle Hupperts Schauspielkunst ist nicht auf vorschnelle Identifikation angelegt, bei aller Empathie und Intimität wahrt sie eine Distanz, die ihre Charaktere in der Ambivalenz belässt und ihr Geheimnis bewahrt. Ihr gelingt mit zurückhaltendem Mienenspiel, eingekapselten Gefühlen große Intensität zu verleihen und die Gratwanderung, dem Publikum Zugang zu spröden und verschlossenen Figuren zu schaffen.

Geboren 1953 in Paris, absolvierte Isabelle Huppert nach einem Sprachstudium die älteste und bedeutendste Schauspielschule Frankreichs, das Conservatoire national supérieur d’art dramatique. Parallel zu Auftritten am Theater wirkte sie ab 1971 in zahlreichen TV- und Kinofilmen mit. Der erste große Erfolg und gleichzeitig der internationale Durchbruch gelang 1977 als schüchterne Auszubildende in Claude Gorettas DIE SPITZENKLÖPPLERIN. Im Jahr darauf wurde sie für ihre Interpretation einer jungen Frau, die ihre Eltern vergiftet, in Claude Chabrols VIOLETTE NOZIÈRE als Beste Darstellerin beim Festival in Cannes ausgezeichnet. Die Begegnung mit Claude Chabrol war der Beginn einer besonderen Arbeitsbeziehung und einer lebenslangen Freundschaft. Im Lauf der folgenden drei Jahrzehnte drehte Chabrol mit seiner erklärten „Lieblingsschauspielerin“ sechs weitere Filme. 1980 spielte Isabelle Huppert in gleich drei der wichtigsten Filme des Jahres: Maurice Pialat, Frankreichs herausragender Regisseur der 80er Jahre und Vertreter eines vitalen Kinos von enormer Körperlichkeit, besetzte sie in DER LOULOU an der Seite von Gérard Depardieu als temperamentvolle, eigensinnige Frau. In Jean-Luc Godards Comeback RETTE SICH WER KANN (DAS LEBEN) und Michael Ciminos legendärem Antiwestern HEAVEN’S GATE interpretierte sie jeweils eine Prostituierte. Zahlreichen starken Rollen in internationalen Produktionen der 80er und 90er Jahre, darunter Claude Chabrols BIESTER, für den sie 1996 mit dem César ausgezeichnet wurde, folgte 2001 ein neuer vorläufiger Höhepunkt in ihrer Karriere. Für die schauspielerische Leistung in Michael Hanekes DIE KLAVIERSPIELERIN („die größte weibliche Kino-Performance aller Zeiten", Variety) wurde sie in Cannes zum zweiten Mal als Beste Darstellerin gewürdigt. 15 Jahre später, mit Anfang 60 in einem Alter, in dem viele Frauen kaum noch interessante Rollen angeboten bekommen, machte sie mit drei herausragenden Filmen Furore, die im Abstand von wenigen Monaten ins Kino kamen: VALLEY OF LOVE, ALLES WAS KOMMT und ELLE. Die Mitwirkung in Paul Verhoevens Thriller ELLE geriet zu ihrem bislang größten künstlerischen Erfolg. Neben enthusiastischen internationalen Kritiken wurde Isabelle Huppert mit einer Vielzahl an Preisen ausgezeichnet, darunter ihr zweiter César, ein Golden Globe Award und ihre bisher einzige Oscar- Nominierung.

17 Filme aus den Jahren 1977 bis 2017, die vom 22. März bis 29. April 2017 im Filmhaus zu sehen waren, boten einen Eindruck des breiten Spektrums und der vielfältigen Facetten der „Schauspielerin mit unbegrenzten Möglichkeiten“ (Susan Sontag).