Neues österreichisches Kino
Das Filmhaus blickte vom 1. bis 24. September 2016 über den Alpenrand und präsentierte herausragende Produktionen aus dem Nachbarland: neuere und neueste österreichische Filme – darunter neun Nürnberger Erstaufführungen –, die auf internationalen Festivals Erfolge feierten und Filme, die zu Unrecht viel zu schnell aus den deutschen Kinos verschwanden. Abseits der großen Namen Michael Haneke und Ulrich Seidl kann eine neue Generation von Regisseur_innen entdeckt werden, die sich in einer beeindruckenden Vielfalt von Produktionsästhetiken dezidiert mit der Gegenwart auseinandersetzt: der Beschäftigung mit nationaler Identität und Geschichte, mit der Entdeckung von politisch-sozialen Verhältnissen, mit Fragen von Migration (LAMPEDUSA IM WINTER, 2015) oder schlichtweg dem Streben nach Glück. Der österreichische Film nach Barbara Alberts NORDRAND (1999) erzählt genau beobachtet mit ungeschöntem Blick konkrete Alltagsgeschichten, stellt aber auch universelle Fragen nach existentiellen Dingen. Familienbindungen werden ebenso thematisiert und in gesellschaftliche Zusammenhänge gerückt, wie Erfolg, eine zunehmende Kommerzialisierung des Lebens und eine Verödung, die damit einhergeht. OKTOBER NOVEMBER (2013) von Götz Spielmann und SUPERWELT (2015) von Karl Markovics kreisen ausdrucksstark und detailreich um die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben. Ruth Mader wirft in WHAT IS LOVE (2013) konkret die Frage nach dem richtigen Leben auf.
Eine große Stärke des neuen österreichischen Kinos ist der Dokumentarfilm, der in unserer Reihe gleichberechtigt neben dem Spielfilm steht. Nikolaus Geyrhalter ist einer der renommiertesten österreichischen Dokumentaristen. In ruhigen Einstellungen, mit sorgfältig gerahmten und geometrisch komponierten Totalen, erzählen seine Filme bildmächtig von Orten an den Rändern unserer Wahrnehmung und legen beeindruckende Bestandsaufnahmen gesellschaftlicher Phänomene und Umbrüche vor, so auch in ÜBER DIE JAHRE (2015) und HOMO SAPIENS (2016), die das Filmhaus als Nürnberg-Premieren präsentiert. Ähnlich wie Ulrich Seidl stellt Geyrhalter seine Protagonisten grundsätzlich im Verhältnis zu ihrer Umgebung dar. Ebenfalls als Premieren gelangen die Dokumentarfilme EIN DEUTSCHES LEBEN (2016) und OMSCH (2013) zur Aufführung. In beiden Filmen stehen zwei über Hundertjährige im Mittelpunkt. Hildegard Pomsels deutsches Leben als Angestellte in Goebbels „Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda“ war geprägt von einer Gleichgültigkeit und Kurzsichtigkeit, wie sie retrospektiv eingesteht. Das Regiekollektiv um Christian Krönes ermöglicht tiefe Einsichten in ein System, das Millionen von Mitläufern erst ermöglichten. Pauline Schürz in OMSCH (das Wort ist eine liebevolle Verklausulierung für „Oma“) ist eine famose Dame, ganz Wienerin, in deren Ausdrucksweise ein anderes gelebtes Jahrhundert ablesbar wird. Edgar Honetschlägers „Harold und Maude des Dokumentarfilms“ ist ein wunderbares Dokument einer Freundschaft über Generationen hinweg. Die Grenzen des Dokumentarfilms überschreitet Ruth Beckermanns Film DIE GETRÄUMTEN, eine minimalistisch entfaltete intensive Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan, dargestellt anhand Ihrer Korrespondenz – schwebend zwischen Inszenierung und Dokumentation. Wir freuen uns, den Film in einer einmaligen Vorstellung als Preview präsentieren zu können.
Nicht zuletzt erinnern wir mit SLUMMING (2006) an den früh verstorbenen Michael Glawogger, einen der profiliertesten Spiel- und Dokumentarfilmregisseure, die Österreich hervorgebracht hat.
Unser Dank gilt Anne Laurent-Delage (Austrian Film Commission), Christine Dollhofer (CROSSING EUROPE Filmfestival Linz) und Gerald Weber (Sixpack Film).
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