7.4. bis 27.4.2022

Das Filmhaus präsentiert im April eine hochkarätige Auswahl der diesjährigen Berlinale-Retrospektive „No Angels“ mit neu restaurierten Filmen, vielen Nürnberger Erstaufführungen und seltenen analogen Kopien. Komödiantisch einstimmen wollen wir sie mit dem Eröffnungsfilm (und Namensgeber der Filmschau) ICH BIN KEIN ENGEL (1933) – Mae Wests größtem Erfolg. Ihr unvergleichlicher Witz bezieht seine Wirkung großenteils aus einem genüsslich offenen Umgang mit weiblicher Sexualität, der auch heute noch überrascht. Kein anderer Star vermochte eine derartig offensive weibliche Selbstinszenierung und ein solch libidinöses Arkadien zu kreieren. Einer ihrer großen one liners lautet: „Was zählt: nicht die Männer in meinem Leben, sondern das Leben in meinen Männern“ – ein Epigramm, das Oscar Wilde zur Ehre gereicht hätte.

„Die Retrospektive der Berlinale 2022 präsentierte das komödiantische Œuvre der drei US-amerikanischen Schauspielerinnen Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard mit ihrer jeweils unverwechselbaren Handschrift. Seit der Großen Depression zu Beginn der 1930er-Jahre wurde in den USA das Komische zu einer Reflexions- und Bewältigungsstrategie der Krise. Auch der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg ließ das Genre der Komödie weiter florieren. Das Kino bot dem Publikum Ablenkung und kurzfristige Erleichterung. Subgenres wie die Screwball Comedy oder die romantische Komödie hatten hier ihre Hoch-Zeit – und fanden in Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard selbstbewusste, gegen Klischees agierende Künstlerinnen. Denn der Star (männlich) war das Zentrum, um den ein Hollywoodfilm geschrieben, finanziert und inszeniert wurde. Die Rolle, die der Frau angeboten wurde, ist klar: Ikone der Schönheit und Verführung. Um in diesem männlich-polarisierten System als weiblicher Star erfolgreich sein zu können, muss man neben Talent eine gute Portion Mut und Durchsetzungskraft haben.

Als ‚female leading comedians‘ ihrer Zeit erreichen die drei Schauspielerinnen bis heute ihr Publikum auf ganz individuellen Wegen. Mae West spielt mit den Klischees des Weiblichen und kehrt mit zweideutigen Blicken und anspielungsreicher Sprache etablierte Geschlechterverhältnisse um. Rosalind Russell besticht in ihren Rollen der selbstbewussten Karrierefrau durch schlagfertigen Witz und überrascht zugleich mit Slapstick-Komik. Carole Lombard überzeugt hingegen mit subtiler Eleganz, mal als verwöhnte Millionenerbin, mal als ehrgeizige Schauspielerin, die Bühne oder Film erobern will.

Als 39-Jährige begann Mae West ihre Karriere beim Film. Die schon vorher erfolgreiche Theater- und Varietédarstellerin avancierte in kurzer Zeit zur höchstbezahlten Schauspielerin der 1930er-Jahre. Die Selbststilisierung ihrer Figur wurde, entgegen der damaligen Schönheitsideale, ihr ureigenes Markenzeichen. Aufgrund des offensiven Umgangs mit ihrem Sex-Appeal geriet Mae West, die die Storys und Drehbücher ihrer Filme überwiegend selbst verantwortete, immer wieder mit der Filmzensur in Konflikt.

Rosalind Russell gelang der Durchbruch als Komödiendarstellerin mit George Cukors DIE FRAUEN (1939). Danach spielte sie in ihrer langen Karriere abwechselnd immer wieder ernste und komische Rollen. In den Komödien sind Russells Figuren häufig erfolgreiche Geschäftsfrauen, die sich zwischen Liebe und Karriere entscheiden müssen. Immer wieder beweist Russell in ihren Filmen mit perfektem Timing und physischer Virtuosität ihre Meisterschaft in der Slapstick-Komik.

Carole Lombard trat bereits in Stummfilmen auf, bevor sie – wie auch Mae West – in den 1930er-Jahren zum Star der Paramount Pictures avancierte. Bis zu ihrem frühen Unfalltod 1942 wirkte sie in über 40 Spielfilmen mit, ein Großteil davon sind Komödien. Ihre feminin angelegten, von den Typen der Naiven bis zur eleganten Dame von Welt reichenden Interpretationen prägen die Filme, etwa MEIN MANN GODFREY (1936), in dem sie als sorglose, reiche Tochter brilliert. Leichtigkeit, Charme und Witz verbinden sich in ihrem Schauspielstil, der sich als besonders variantenreich erweist.

Im Amerika der 1930er-Jahre werden Mae West, Rosalind Russell und Carole Lombard zu gesellschaftlichen Vorreiterinnen auf der Leinwand, besonders in Bezug auf die Nichtbeachtung vorherrschender Geschlechterrollen und deren Unterwanderung. Mae West thematisiert vor allem die (weibliche) Sexualität. Rosalind Russell steht in ihren Filmen immer wieder vor der Frage, wie Karriere und Liebe oder Karriere und Ehe miteinander zu vereinen sind. Und bei Carole Lombard besteht – wie auch heute noch bei vielen – der Wunsch, aus der Provinz in die Großstadt zu fliehen, um sich dort zu verwirklichen.“ Annika Haupts & Rainer Rother

Die Retrospektive findet statt in Zusammenarbeit mit den Internationalen Filmfestspielen Berlin und der Deutschen Kinemathek. Wir danken Brad Hirsch (NBC Universal, Kalifornien) sowie insbesondere Annika Haupts (Auswahlkommission / Programmkoordination) und Anke Hartwig (Festivalkoordination), der Retrospektive der Berlinale. Die Kurztexte zu den Filmen entstammen Großteils dem Programm der Berlinale und wurden von Jörg Schöning verfasst.

Bitte klicken Sie in der Ansicht unten auf den jeweiligen Film um alle Spieltermine zu sehen.