Rainer Werner Fassbinder 80
1.5. bis 22.6.2025
„Ich möchte ein Haus mit meinen Filmen bauen. Einige sind der Keller. Andere die Wände, und wieder andere sind die Fenster. Aber ich hoffe, dass es am Ende ein Haus wird.“ Die Errichtung dieses Hauses wurde jäh unterbrochen. Sein Architekt Rainer Werner Fassbinder, der 1982 diese Hoffnung hegte, hinterließ 37-jährig, bei seinem frühen Tod am 10. Juni 1982, ein Werk von 44 Filmen, das in nur 17 Jahren entstanden war. Es sei dahingestellt, ob sein Œuvre 1982 bereits ein Gebäude in seinem Sinne war. Ein kubistisches vielleicht, ein multiperspektivisches in jedem Fall. Was hätte Rainer Werner Fassbinder in den vergangenen 43 Jahren wohl noch hinzugefügt?
Am 31. Mai 2025 würde er seinen 80. Geburtstag feiern. Das Filmhaus erinnert mit fünf Bauelementen an den cinephilen Autodidakten und Giganten des jungen deutschen Films der 1960er und 1970er-Jahre. Methoden von Andy Warhols „Factory“ – ein relativ festes Team von Darsteller*innen, Kameraleuten, Bühnenbildner*innen und Musiker*innen – verband er mit Darstellungsformen des Volksstücks, des Melodrams und des Gangsterfilms zu teilweise sehr persönlichen Filmen. Seine Themen kreisen vor allem um die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft und die Enge der Adenauer-Ära: Kapitalismus und Entfremdung, Konformität und Abstumpfung im Alltag, Kleinbürgertum und Untertanenmentalität, Fremdenfeindlichkeit, Vorurteile und Unterdrückungsmechanismen … Der Autor und Filmkritiker Wolfram Schütte schrieb damals in seinem Nachruf: „Wenn man sich den Neuen Deutschen Film allegorisch als Mensch imaginierte, so wäre Kluge sein Kopf, Herzog sein Wille, Wenders sein Auge, Schlöndorff seine Hände und Füße e tutti quanti dies und das; aber Fassbinder wäre sein Herz gewesen, die lebende Mitte (nicht politisch oder als Punkt des Ausgleichs, sondern als Gravitationszentrum, in dem die jeweiligen künstlerischen Tendenzen sich schnitten).“
In dem Gruppenfilm DEUTSCHLAND IM HERBST (1978) ist Rainer Werner Fassbinder auch als er selbst zu erleben. Seine 26-minütige Episode – „das brutalste Selbstporträt, das die Kunstgeschichte kennt“ (Willi Winkler) – ermöglicht einen Blick in sein Inneres. Fassbinder sitzt nackt in seiner dunklen Wohnung, telefoniert, raucht, nimmt Rauschgift, spielt mit seinem Penis, brüllt seinen Freund an und diskutiert mit seiner Mutter, die mit der aktuellen politischen Situation nicht zurechtkommt und lieber einen autoritären Herrscher hätte, aber „einen, der ganz gut ist“. Der Autor und Journalist Willi Winkler schreibt weiter: „Für Antje Vollmer ist das nicht bloß ‚Zeige Dich als Wunde‘, sondern hier finde zum ersten Mal das Gespräch zwischen den Generationen statt. Bis dahin habe man sich an abstrakten Nazi-Objekten abgearbeitet, hier ging es um die familiäre Konfrontation: die Nachkriegs- gegen die Hitler-Generation.“
Vom Haus zur Stadt zum Land. Ian Penman, einflussreich als Autor der damals legendären Musikzeitschrift New Musical Express, legte 2024 sein Buch „Fassbinder – Tausende von Spiegeln“ vor, und darin liest man, dass ihm Rainer Werner Fassbinder damals als der größere Rockstar vorkam, „größer als alle echten Rockstars, die noch übrig waren“. Für ihn ist der produktive Macher „eine ganze Stadt, ein Landstrich, ein Ballungszentrum, ein Land; die Fassbundesrepublik.“
Und das Kino? Eine Faszination! „Noch Jahrzehnte später kann ich in mir die verwirrende Kraft wieder wachrufen, die gewisse Filme haben, wenn man sie das erste Mal im Kino sieht. Eine Erfahrung nahe an der Epiphanie. Nicht nur hinter den Augen, sondern im ganzen Körper. Eine Störung in der Wahrnehmung der Zeit.“