24.6. bis 6.7.2022

Mehr als 120 Dokumentarfilme haben Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich seit 1973 als Regieduo gedreht. Ein Meilenstein bundesrepublikanischer Fernsehgeschichte ist ihre Langzeitbeobachtung „Berlin – Ecke Bundesplatz“, für die sie 25 Jahre lang 30 Menschen aus ihrer Nachbarschaft in Berlin-Wilmersdorf durch ihren Alltag begleiteten.

Wir zeigen eine Auswahl von 17 ihrer Arbeiten, darunter acht Filme der „Bundesplatz“-Reihe, und freuen uns sehr, Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich am Eröffnungswochenende im Filmhaus begrüßen zu können.

Detlef Gumm wurde 1947 in Ludwigshafen geboren und studierte in West-Berlin Publizistik, Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte. Hans-Georg Ullrich, geboren 1942 in Magdeburg, absolvierte eine Fachhochschulausbildung als Fotograf und verbrachte eine Assistenzzeit beim US-Fernsehsender CBS. Ab 1965 drehte er als Regisseur und Kameramann Kurzfilme, darunter eine Arbeit für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Osaka 1969 sowie preisgekrönte Industriefilme. Seit 1972 arbeitet Ullrich mit Detlef Gumm zusammen. Auftakt für die langjährige Zusammenarbeit der Dokumentaristen war 1972 eine Lach- und Sachgeschichte über „Kanalisation“ für die „Sendung mit der Maus“. Erster gemeinsamer Erfolg war 1973 ihre Serie „Alltag – Bilder von unterwegs" für den WDR. 1976 gründeten sie die Produktionsfirma Känguruh-Film, um eigene Dokumentarfilme unabhängig produzieren zu können. Ab den 1980er-Jahren produzierten sie auch dokumentarische und fiktionale Filme anderer Regisseure, u. a. DU MICH AUCH (1986) von Dani Levy und Helmut Berger und MEIN KRIEG (1989) von Harriet Eder und Thomas Kufus. Neben zahlreichen Kinderfilmen, die keine Altersgrenze kennen, sowie kürzeren Formaten für das Vorabendprogramm, entstanden ab Ende der 1970er-Jahre auch abendfüllende Regiearbeiten von Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich. Ihre bekannteste Arbeit ist die Langzeitbeobachtung „Berlin – Ecke Bundesplatz“, ein einmaliges Projekt in der deutschen Fernsehgeschichte. Von 1986 bis 2012 porträtierten sie nach dem Vorbild von Agnès Vardas DAGUERREOTYPEN – LEUTE AUS MEINER STRASSE (F 1975) Menschen in ihrem unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumfeld. Mit professioneller Distanz, zurückhaltender Neugier, Respekt, Wärme und Einfühlungsvermögen begegneten sie als „Ethnografen des Alltags“ ihren Nachbarn auf Augenhöhe und filmten sie in Abständen von ein bis vier Jahren: Junge und Alte, Arme und Reiche, Familie und Alleinstehende; Paarungen und Trennungen, Auf- und Abstiege, Geburt und Tod. Die stete Beobachtung von Einzelschicksalen macht den gesellschaftlichen Wandel sichtbar, der Kiez wird zum Mikrokosmos der deutschen Gegenwart, die Langzeitstudie zum kollektiven Tagebuch des ausgehenden 20. Jahrhunderts und frühen 21. Jahrhunderts. Charakteristisch für die Reihe – wie für alle Filme von Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich – sind eine pointierte, behutsame Erzählweise, die auf schnelle Schnittfolgen verzichtet, ein sparsamer, unaufgeregter Off-Kommentar, eine Kamera auf Augenhöhe, genaues Zuhören und eine große Sensibilität gegenüber den Menschen, denen sie begegnen.

„Sie filmen nur, was ist. Sie wissen nicht, was passieren wird; sie sind offen für das, was kommt. Sie passen sich dem Tempo der Leute an, mit denen sie zu tun haben, sind neugierig auf deren Anderssein. Auch auf die Gefahr hin, dass das pathetisch klingt – aus ihren Filmen spricht, was sie ausstrahlen: Menschen-Liebe.“ Christiane Grefe, Süddeutsche Zeitung v. 18.12.1986