Christine Demele ist neue Leiterin im Dürer-Haus

Frische Ideen für das Albrecht-Dürer-Haus

von Gabriele Koenig - 28.2.2023

Nürnberg - Ein neuer Kopf, ein frischer Wind: Christine Demele, die das Albrecht-Dürer-Haus seit Oktober 2022 leitet, will die Geschichte des Gebäudes selbst stärker in den Blick rücken und in der Dauerausstellung Dürer als Wissenschaftler und Zeichner präsenter machen. Auch für Kinder. Wie das geht?

A generic square placeholder image with rounded corners in a figure.
Dürers Kupferstich von 1503 versetzt die Gottesmutter Maria in eine irdische Umgebung. Zu sehen in der Reihe „ Maria “ im Grafischen Kabinett des Albrecht-Dürer-Hauses.

Christine Demele pflegt eine innige Beziehung zu Dürer. Die Kunsthistorikerin hat über „Dürers Weimarer Selbstbildnis als Akt“ promoviert, sie hat wissenschaftlich zu Renaissance-Zeichnungen gearbeitet und zuletzt als Kustodin im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen auch Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken von Albrecht Dürer (1471–1528) betreut. Jetzt ist sie am Ort seines Lebens und Wirkens angekommen. „Das Albrecht-Dürer-Haus ist als Museum grundsätzlich gut aufgestellt“, sagt Demele. Was nicht heißt, dass es nicht noch besser werden könnte.

Vor kurzem ist sie sogar ins Dach des Dürer-Hauses gestiegen, um die Perspektive der Nürnberger Burg auf einer Marien-Darstellung von 1514 zu überprüfen. „Zu Dürers Lebzeiten stand gegenüber ein Haus, das weit in den Tiergärtnertorplatz hineinragte. Dürer konnte die Ansicht der Kaiserburg so tatsächlich nur aus dem Dachfenster heraus sehen“, sagt Christine Demele.

Solche Details sind es, die Demele begeistern. Oder auch die Geschichte von Marie Falcke, die sie gerade erforscht. Die Hausverwalterin hatte in den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs im Haus ausgeharrt und es vor der Zerstörung bewahrt. Davon soll auch im Museum erzählt werden. Die Geschichte des Hauses soll künftig eine größere Rolle spielen, denn wie Demele sagt: „Das Haus selbst ist das wichtigste Exponat.“ Zudem will sie Kinder dezidiert ansprechen: mit Erklärungen auf Augenhöhe, Mitmachheft und Kreativstation und einem Medienguide. Der Wunsch der Museumsleiterin ist, „dass alle mit dem Gefühl rausgehen, dem Dürer und seinem Leben ein bisschen näher gekommen zu sein“.

Denn der Künstler, der im Viertel unterhalb der Burg aufwuchs und 1509 das stattliche Eckhaus erwarb, war „ein Ausnahmetalent und absolut innovativ, was Bildthemen, Kompositionen und Techniken betrifft“. Die Errungenschaften Dürers sollen im Haus anschaulicher werden: Kein anderer vor ihm stellte sich so oft selbst dar und beschäftigte sich derart intensiv mit der Darstellung des nackten Menschen. Gleichzeitig war Albrecht Dürer Kunsttheoretiker und erfolgreicher Geschäftsmann, der seine Kunst international vertrieb.

Dass er als Zeichner und Wissenschaftler im Dürer-Haus bislang kaum zur Geltung kommt, will Christine Demele ändern. Denn Dürer war auch Mathematiker und veröffentlichte ein Geometrie-Lehrbuch, er forschte zum Menschen und fasste die Erkenntnisse in seiner Proportionslehre zusammen. Er war architektonisch bewandert, entwarf Wohnhäuser, aber auch Festungen und Kriegsgerät. „In der Renaissance war der Kunstbegriff viel weiter gefasst, auch das wissenschaftliche Zeichnen gehörte dazu“, erklärt Demele.

Bald schon – 2028 – jährt sich Dürers Todestag zum 500. Mal. Schon jetzt stellen die Museumsverantwortlichen in Nürnberg erste Überlegungen dazu an: Wie und womit soll das Jahr begangen werden? Nürnberg hat ja nicht nur seinen Flughafen nach dem bekanntesten Sohn der Stadt benannt, es ist auch ein wichtiges Zentrum der Dürer-Forschung. Die fußt auf drei Säulen: Der jährlichen Reihe der Dürer-Vorträge, bei denen sich die internationale Community der Dürer-Forscher in Nürnberg trifft, der einmaligen Dürer-Bibliothek, die die Albrecht-Dürer-Haus-Stiftung seit dem 19. Jahrhundert aufgebaut hat, und der Teilhabe am DFG-Projekt „duerer.online“, einem virtuellen Forschungsnetzwerk, das das Gesamtwerk Dürers online abrufbar machen soll.

Apropos online. Die sozialen Medien sieht Christine Demele, Jahrgang 1981, als wichtiges Werkzeug der Kunstvermittlung und Besucherbindung. So schnell wie möglich soll das Dürer-Haus auch auf diesem Weg mit seinem Publikum in den Dialog kommen. Dann könnten Interessierte – nur zum Beispiel – ihre „Miss Maria“ küren, die Ansprechendste unter den Mariengrafiken Dürers. Sechs von ihnen sind derzeit (noch bis 26. März 2023) in der Reihe Original Dürer! im Grafischen Kabinett des Dürer-Hauses ausgestellt. Ihnen folgen im Lauf des Jahres „Dürers Pferde“, „Dürer und die starken Männer“ und „Engel“.

Für Grafik und feine Linien hegt Christine Demele eine besondere Leidenschaft, die sie auch den Menschen näherbringen will. „Grafik wird spannend, wenn man sich auf die Details einlässt.“ Deshalb stehen den Besucherinnen und Besuchern im Kabinett jetzt auch Lupen zur Verfügung. Bespielt wird der Raum im dritten Obergeschoss des Dürer-Hauses aus den reichen Beständen der Grafischen Sammlung der Museen, die ebenfalls von Demele geleitet wird. Der mehr als 100.000 Blätter umfassende Bestand an Stichen, Holzschnitten, Radierungen, Lithografien, Aquarellen, Zeichnungen und Fotografien ist noch nicht komplett inventarisiert und wissenschaftlich erschlossen. Das ist eine Mammutaufgabe für Demele und ihr Team, aber eine mit viel Potenzial: „Ich hoffe, dass wir noch Schätze entdecken“, sagt Christine Demele.

Christine Demele © PicturePeople

Albrecht-Dürer-Haus
Albrecht-Dürer-Straße 39
90403 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – Fr 10 – 17 Uhr, Sa, So, 10 – 18 Uhr
Telefon: 0911 2 31-25 68
albrecht-duerer-haus.de

Teilen mit
Zurück zur Übersicht