Internationaler Titel

Der Behaim-Globus aus Nürnberg ist jetzt UNESCO-Weltkulturerbe

von Sonja Mißfeldt - 9.6.2023

Nürnberg - Er ist die älteste erhaltene Darstellung der Erde in Kugelform: der Globus von Martin Behaim, entstanden zwischen 1492 und 1494. Ende Mai hat der Exekutivrat der UNESCO in Paris dieses einzigartige kulturgeschichtliche Zeugnis von der damaligen Vorstellung der Welt in das internationale Memory of the World-Register aufgenommen. Ausgestellt ist der Globus im Germanischen Nationalmuseum.

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Der Behaim-Globus aus Nürnberg ist jetzt UNESCO-Weltkulturerbe

Auf dem Erd­rund sind Europa, Afrika und – mehr oder weniger detailliert – Asien mit Japan und zahlreichen kleinen pazifischen Inselgruppen dargestellt. Der Kontinent, den Christoph Kolumbus zeitgleich mit der Entstehung des Behaim-Globus erreicht und der später Amerika genannt wird, fehlt noch. Damit war die kugelförmige Weltkarte bei ihrer Fertigstellung eigentlich bereits veraltet. Doch gerade das macht sie heute so spannend.
Erstmals vereinte ein Globus das damals in Europa bekannte Wissen von der Welt. Behaim bemühte sich um präzise Wiedergaben von Entfernungen sowie Land- und Wassermassen. Der weltberühmte „Erdapfel“ ist damit ein Pionierwerk der Kartografie und des wissenschaftlichen Instrumentenbaus – und eines der wichtigsten Kulturzeugnisse der Geografiegeschichte.
Zugleich zeugt der Behaim-Globus von dem sich rasant und grundlegend wandelnden Weltbild an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit. Als er zwischen 1492 und 1494 entstand, wusste Europa noch nichts von der Existenz der riesigen Landmasse, die sich zwischen Europa und Asien erstreckt. Mit Kolumbus und den nachfolgenden Expeditionen erweitert sich die Vorstellung der Europäer von der Welt erheblich. In der Zeit um 1500 brechen sie erstmals systematisch an ferne Orte auf und erkunden deren Beschaffenheit.
Nach europäischem Verständnis beginnt damals die neuzeitliche Epoche der Globalisierung: Neue Länder und Kulturen, eine fremde Fauna und Flora, exotische Tierwelten sowie kostbare Handelsgüter und Bodenschätze werden erschlossen. Dank des Buchdrucks verbreiten sich Informationen darüber in ganz Europa. Fantastische Vorstellungen von fernen Gegenden, von feuerspeienden Drachen und einbeinigen Menschen beginnen, einem auf Erfahrung basierenden Wissen zu weichen. Auf Behaims Erdapfel ist noch beides zu finden: Vermerke von neuen Kenntnissen und Darstellungen von Fabelwesen. Sein Globus steht an der Schwelle von Glauben und Wissen. Lange Zeit symbolisierte er die Erfolgsgeschichte europäischer „Entdeckungen“ und Horizonterweiterungen.
Heute sehen wir diesen Eroberungsdrang kritischer, denn der Behaim-Globus steht auch für die Anfänge des europäischen Kolonialismus. Kolumbus suchte eine Route über das Meer nach Indien, um von dort Handelsgüter importieren zu können. Der direkte Seeweg umging Zwischenhändler, die auf dem Landweg Waren kontrollierten und dafür bezahlt werden mussten, was einen potenziellen Gewinn schmälerte. Auch Afrika sollte im 15. Jahrhundert auf der Suche nach Indien nicht nur umrundet, sondern wirtschaftlich erschlossen werden. Behaims Erdkugel ist deshalb auch ein Dokument unseres zwiespältigen europäischen Kulturerbes.
Neben dem Behaim-Globus wurden 63 weitere Dokumente in das Verzeichnis des UNESCO-Weltdokumentenerbes aufgenommen. Aus Deutschland gehören dazu der Codex Manesse der Universitätsbibliothek Heidelberg und Dokumente zur Geschichte der Hanse, die in Belgien, Dänemark, Estland, Lettland, Polen und unter anderem im Archiv der Hansestadt Lübeck bewahrt werden. Ebenfalls in das Register eingeschrieben wurden Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen unter anderem aus der Stadtbibliothek Trier.

Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20.30 Uhr
Telefon: 0911 13 31-0
www.gnm.de

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