GNM-Sonderschau wird vorbereitet

Einzigartige Meisterwerke aus Glas

von Sonja Mißfeldt - 9.6.2023

Nürnberg - Als studentische Hilfskraft hat Sabine Tiedtke einst am Germanischen Nationalmuseum (GNM) begonnen. Jetzt liegt dort ein faszinierendes Projekt in ihren Händen: die Sonderschau Meisterwerke aus Glas, die ab 20. Juli 2023 zu sehen ist. Dafür hat sie Erstaunliches zusammengetragen – auch Kostbarkeiten, die noch nie ausgestellt waren.

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Kunsthistorikerin und Glasexpertin Sabine Tiedtke mit barockem Trinkpokal.

Frau Tiedtke, seit wann beschäftigen Sie sich schon mit dem Thema Glas?

Meinen ersten Kontakt mit dem Material Glas hatte ich bei der Werkbund Werkstatt in Nürnberg. Nach dem Abitur hatte ich erstmal etwas Praktisches, Kunsthandwerkliches machen wollen, deshalb habe ich dort 1999/2000 ein Jahr lang ein Praktikum absolviert. Die Werkbund Werkstatt besteht eigentlich aus mehreren Werkstätten, in denen man den Umgang mit unterschiedlichen Materialien erlernen kann – mit Holz, mit Metall und eben auch mit Glas. Im Vordergrund stehen dabei immer die Fragen, über welche Eigenschaften das jeweilige Material verfügt und was man daraus fertigen kann. Anschließend habe ich eine Ausbildung zur Goldschmiedin gemacht, danach noch Kunstgeschichte studiert. Beides brachte mich ans Germanische Nationalmuseum, als studentische Hilfskraft in einem Forschungsprojekt zu Goldschmiedearbeiten.

Wann kamen Sie zurück zum Glas?

Angeregt durch die Sammlung des GNM habe ich mein Dissertationsthema gefunden: Nürnberger Glasschnitt im 17. und 18. Jahrhundert. Bei meiner Arbeit habe ich mich vor allem auf den hiesigen Bestand konzentriert. Er umfasst rund 50 Gläser, ein einzigartiges und sehr umfangreiches Konvolut. Nur wenige Museen können da international mithalten.

Was ist Glasschnitt denn eigentlich?

Glasschnitt ist eine Form der Verzierung, heute würde man vielleicht von Gravur sprechen. Es gibt Glasschnitt bei Trinkgläsern und Pokalen, aber auch Scheiben, wie sie beispielsweise in Deckel von kleinen Kästchen eingesetzt wurden. Fein eingeritzt finden sich Wappen und Embleme, aber auch Gebäude und Landschaften, Jagdszenen mit Tieren und vieles mehr als Dekor. Glas zu bearbeiten war eine große Kunst. Nürnberg galt im 17. und 18. Jahrhundert als Zentrum dieser Fertigkeit, es war die Blütezeit des Nürnberger Glasschnitts. Nirgendwo sonst wurden zu dieser Zeit so hochwertige Glasschnitte hergestellt.

Aber aus Glas kann man noch viel mehr fertigen, oder?

An der Universität Gießen habe ich an einem Forschungsprojekt zu Thüringer Glas mitgearbeitet. Der Schwerpunkt lag auf den Sammlungen der Grafen und Fürsten von Schwarzburg, die eine große Bandbreite an Dingen aus und mit Glas umfassen: optische Geräte wie Ferngläser oder Brillen, Glasaugen, aber auch Glas für Vitrinen und als Behältnis für zum Beispiel in Alkohol eingelegte Präparate. Es gibt aber auch die sogenannte Puppenstadt Mon Plaisir, in deren Häusern gläserne Miniaturkronleuchter von der Decke baumeln, zierliche Glaskaraffen auf Tischchen stehen und deren Puppenfiguren Kleider mit aufgestickten Glasperlen tragen. Das hat mich inspiriert und ich habe mich gefragt: Solche Dinge muss es doch auch in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums geben? Und wir sind fündig geworden.

Was wird in der Ausstellung zu sehen sein?

Es geht uns darum, die große Vielfalt an Glasobjekten im GNM zu demonstrieren. Wir werden Trinkgefäße und Karaffen zeigen, fragil-elegante, aber beispielsweise auch spätmittelalterliche Gebrauchsgläser, aus denen nicht nur die gehobene Gesellschaft trank, sondern Bürger und Handwerker. Es wird Gläser aus grünlich gefärbtem Waldglas zu sehen geben, wie einen sogenannten Krautstrunk, der so heißt, weil seine Form an einen entblätterten Kohlkopf erinnert, und ein modernes Teeservice aus den 1950er Jahren, dessen wunderschönes, schnörkel-loses Design vermutlich viele Besucher kennen, denn das Service wurde dank seiner zeitlosen Gestaltung über Jahrzehnte verkauft. Soweit das Erwartbare, wir haben aber auch Kurioses entdeckt wie eine Querflöte aus Glas und – ebenfalls sehr ungewöhnlich – ein spätmittelalterliches Brustglas, quasi eine Milchpumpe aus Glas, die per Unterdruck funktioniert. Ganz wichtig ist natürlich auch das geschliffene Glas, also Linsen in Mikroskopen und Ferngläsern. Ihnen verdanken wir das, was auch ein Museum als Ganzes bietet: Faszinierende Einblicke in den Mikro- und Makrokosmos der Welt.

Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20.30 Uhr
Telefon: 0911 13 31-0
www.gnm.de

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