Schau zu Jakob Wassermann

So schonungslos

von Daniela Eisenstein - 12.6.2023

Zum 150. Geburtstag des Fürthers Jakob Wassermann hat der Künstler Arnold Dreyblatt mit LESEZEICHEN eine Installation geschaffen, die Wassermanns autobiografisches Werk in den Mittelpunkt rückt: Mein Weg als Deutscher und Jude. Zu sehen ist sie bis zum 26. November 2023 im Jüdischen Museum Franken in Fürth. Es gibt dort aber noch mehr Beeindruckendes zu sehen.

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Filmstills aus Installation LESEZEICHEN

„Es ist vergeblich, für sie zu leben und für sie zu sterben. Sie sagen: er ist ein Jude.“ Dies schrieb der in Fürth geborene Autor Jakob Wassermann 1921 in seinem autobiografischen Essay Mein Weg als Deutscher und Jude. Zwölf Jahre vor Beginn des Nationalsozialismus schilderte er in dieser Schrift schonungslos den Antisemitismus, den er erlebte und die Unmöglichkeit, in Deutschland Jude und Deutscher zugleich zu sein.
Wassermann genoss zu seinen Lebzeiten internationalen Ruhm und gehörte zu den meistgelesenen Autoren seiner Epoche. Seine Romane erreichten Rekordauflagen und wurden in über dreißig Sprachen übersetzt. Jakob Wassermann wertete den Erfolg seiner Bücher als Beweis der gelungenen deutsch-jüdischen Symbiose. Der wachsende Antisemitismus in der Weimarer Republik und der Beginn des Nationalsozialismus zwangen ihn jedoch zurück ins „spirituelle Ghetto“, aus dem er einst aufgebrochen war.
Arnold Dreyblatt hat elf Personen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlichen Alters eingeladen, aus ausgewählten Abschnitten von Wassermans forensischer Analyse der deutsch-jüdischen Beziehungen zu lesen – das Ergebnis ist eine beeindruckende 55-minütige Dreikanal-Filmin­stallation.
In einem weiteren Raum des Museums hat er eine Serie von sechs beleuchteten Lentikulartafeln geschaffen, für die er Fotos Wassermanns ausgewählt hat, die die jüdische Fotografin Grete Kolliner 1920 in Wien aufgenommen hatte, sowie Texte aus Mein Weg als Deutscher und Jude. Jede Arbeit enthält mehrere Bild- und Textebenen, die fragmentarisch aus unterschiedlichen Betrachtungspositionen wahrgenommen werden können.
Arnold Dreyblatt (geboren 1953 in New York City) ist ein US-amerikanischer Medienkünstler und Komponist. Seit 1984 lebt er in Berlin. Er ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, wo er stellvertretender Direktor der Sektion Bildende Kunst ist. Bis 2022 war er Professor für Medienkunst an der Muthesius Kunsthochschule Kiel.
Dreyblatt beschäftigt sich in seiner künstlerischen Praxis mit der Sammlung, Visualisierung und Vokalisierung von historischem Archivmaterial. Darin schwingen größere Themen wie Erinnerung, Geschichte, Bewahrung, Erhalt und Verlust von Kultur mit. Dieser Prozess des Findens und Verlierens und die Assoziationen, die diese Fragmente verbinden, bilden den Kern seiner künstlerischen Praxis.

Jüdisches Museum Franken
Königstraße 89
90762 Fürth
Öffnungszeiten: Öffnungszeiten online
Telefon: 0911 950-9880
juedisches-museum.org

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