Die Lunge auf dem Schirm

von Katharina Schroll-Bakes - 18.10.2023

Erlangen - „Auf die Markierung stellen. Tief einatmen. Die Luft anhalten. Aufnahme. Danke fertig. Der Nächste bitte!“ So oder so ähnlich wurden die Menschen noch vor wenigen Jahrzehnten durch die Röntgenreihenuntersuchung geschleust, um der Tuberkulose auf die Spur zu kommen. Ein spannendes Thema, das im MedMuseum in Erlangen eingehend untersucht wird.

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Untersuchung mit dem Seriomat im Jahr 1968. Ein solches Gerät ist auch im MedMuseum ausgestellt. © Siemens Healthineers

Knötchen oder Hohlräume in der Lunge sowie Flüssigkeitsansammlungen in der Brusthöhle können im Röntgenbild ein Hinweis auf Tuberkulose (TBC) sein. Erst durch die Entdeckung der Röntgenstrahlen wurde es überhaupt möglich, solche Veränderungen in der Lunge sichtbar zu machen. Vorher war man auf das Beobachten äußerlicher Krankheitssymptome sowie das Abklopfen und Abhorchen des Patienten beschränkt. Da erkrankte Personen jedoch häufig keine oder nur geringe Symptome zeigen, blieb die Krankheit meist unerkannt und verbreitete sich stetig weiter. Deshalb spielte die Früherkennung im Kampf gegen Tuberkulose eine entscheidende Rolle.

Nachdem sich die Röntgentechnik in den 1920er Jahren zu einem zuverlässigen Mittel zur Feststellung von Tuberkulose entwickelt hatte, versprach sie ein wichtiges Werkzeug zur Früherkennung der tückischen Krankheit zu werden. Doch es gab eine große Hürde zu meistern: Um die Krankheit effektiv einzudämmen, musste man große Bevölkerungsgruppen untersuchen. Doch aussagekräftige Röntgenaufnahmen tausender Menschen waren schlichtweg zu aufwendig und zu teuer.

Zu dieser Zeit wütete in Rio de Janeiro eine TBC-Epidemie. Als Leiter des dortigen Röntgeninstitutes des öffentlichen Gesundheitsdienstes wurde der brasilianische Arzt Manoel de Abreu direkt mit den Auswirkungen der Krankheit konfrontiert und suchte händeringend nach einer Lösung. Mitte der 1930er Jahre gelang ihm die Entwicklung eines neuartigen Schirmbildgerätes, das Abreu mithilfe der brasilianischen Siemens Tochtergesellschaft Casa Lohner konstruierte und baute. Die Idee hinter der Technik war nicht neu, aber Abreu war der erste, dem es gelang, die Idee in ein funktionstüchtiges Gerät umzuwandeln. Beim Schirmbildverfahren wurde kein teures Röntgenbild aufgenommen. Stattdessen wurde eine Kleinbildkamera verwendet, die das Bild auf dem Fluoreszenzschirm während der Untersuchung abfotografierte. Diese Technik war wesentlich günstiger, viel schneller und der Durchbruch für die Einführung flächendeckender Röntgenreihenuntersuchungen zur Tuberkulosefrüherkennung.

Ab 1936 untersuchte Abreu tausende von Menschen in Rio mit seiner Schirmbildeinrichtung. Ein Jahr später reiste Professor Hans Holfelder im Auftrag der Siemens-Reiniger-Werke nach Brasilien. Er tauschte sich mit Abreu aus und überzeugte sich vor Ort von dem Apparat. Zurück in Deutschland nahm Holfelder ein paar technische Änderungen vor und stellte schließlich mit dem Röntgenreihenbildner nach Abreu-Holfelder eine erweiterte Variante von Abreus Gerät vor.

Insgesamt kam das Schirmbildverfahren über Jahre hinweg in verschiedenen Röntgengeräten von Siemens wie dem Seriomat zur Anwendung. Der Seriomat war einfach auf- und abzubauen sowie leicht zu transportieren, weshalb das System in den 1950er und 1960er Jahren überall rund um den Globus für Röntgenreihenuntersuchungen genutzt wurde.

Die Vorteile des Lungenscreenings fasste Dr. Gerhart Habenicht, der damalige Gesundheitssenator von Berlin, 1963 treffend zusammen: „Es handelt sich darum, einen Teil unserer Mitbürger auf Tuberkulose und nebenher übrigens auch auf Lungenkrebs zu untersuchen.“ Denn in den Röntgenbildern wurden neben der Tuberkulose natürlich auch andere Erkrankungen der Lunge sichtbar.

Dank der Entwicklung einer wirkungsvollen Antibiotikatherapie in Kombination mit den Früherkennungsmaßnahmen, TBC-Impfungen sowie den besseren Lebens- und Hygieneverhältnisse konnte die Tuberkulose erfolgreich bekämpft werden und die Erkrankungsrate war in den 1980er Jahren schließlich so gering, dass in vielen Ländern wie Deutschland und den USA die Lungenscreenings eingestellt wurden. Mit dem Ende der Röntgenreihenuntersuchungen entfiel aber auch eine Möglichkeit, Lungenkrebs rechtzeitig zu erkennen.

Heute ist Lungenkrebs global gesehen die zweithäufigste auftretende Krebserkrankung. Um die Überlebenschancen zu verbessern, ist es entscheidend, Lungenkrebs so früh wie möglich zu erkennen. Der Schlüssel hierzu können wieder
Früherkennungsprogramme mithilfe der Computertomographie sein. Weitere Informationen zum Thema Lungenkrebsscreening finden sich in dem Beitrag auf der Webseite des MedMuseums.

Siemens Healthineers MedMuseum
Gebbertstraße 1
91052 Erlangen
Öffnungszeiten: Mo – Fr 10 – 17 Uhr
Telefon: 09131 84 54 42
medmuseum.siemens-healthineers.com

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