Kunst und Design im Dialog

Double Up! Doppelt ist doppelt so gut

von Thomas Heyden - 13.6.2022

Nürnberg - „Mit dem Zweiten sieht man besser“ – so wirbt das ZDF für sich. Ähnliches gilt für das Neue Museum, wo die Sammlungen der freien und der angewandten Kunst zwei unter­schiedliche Perspektiven eröffnen. Double Up!, die neue Präsentation von Kunst und Design im Erdgeschoss, zeigt, wie assoziativ, inspirierend und unterhaltsam das sein kann.

A generic square placeholder image with rounded corners in a figure.
Steven Parrino, OK-KO, 1990

Schon 2020 hatte das Neue Museum in der Ausstellung Mixed Zone eine Durchmischung der beiden Sammlungen gewagt. In diesem Jahr hat der Ausstellungsgestalter Martin Kinzlmaier eine Bühne für den gemeinsamen Auftritt von Kunst und Design geschaffen. Seine Theatererfahrungen kommen der lichten Inszenierung sehr zugute. Sie macht Lust, sich treiben zu lassen und auf Entdeckungsreise zu gehen. Etwa nach Australien, wo indigene Künstlerinnen und Künstler Bilder schaffen, in denen sich Naturerfahrung und Spiritualität vereinen.

Die Keramikerin Lotte Reimers, die vor kurzem ihren 90. Geburtstag feierte, hat sich von den häufig mit Erdpigmenten gemalten Werken für Vasen, Schalen und andere Gefäße inspirieren lassen. Ein Dialog, der Brücken zwischen sehr unterschiedlichen Kulturen schlägt.

Ein anderer Raum führt nach Afghanistan, einem von Kriegen geplagten Land. Zu entdecken, dass sich auf geknüpften Teppichen unter die traditionelle Ornamentik Darstellungen von Kriegsgerät – Flugzeugen, Hubschraubern, Panzern und Kalaschnikow-Maschinengewehren – gemischt haben, lässt schaudern.

Daneben ein im Vergleich geradezu fröhlicher Raum, der poppiges Design der 1960er- und 1970er-Jahre mit Malerei von Michel Majerus verbindet. Majerus‘ Kunst beweist, dass Pop kein historisches Phänomen ist, sondern noch immer die Hierarchie von hoher und niederer Kunst in Frage stellen kann.

Dies lässt sich auch an dem Sessel Donna (1969) von Gaetano Pesce erkennen, in dem sich behütet wie in Mutters Schoß sitzen lässt. Dieses Objekt ist weit mehr als nur ein Möbel, denn die Kugel, die zum Auflegen der Beine dient, kann als Fußfessel verstanden werden. Design, das sich für die Befreiung der Frau starkmacht.

Wo verläuft die Grenze zum Kunstwerk? Double Up! stellt genau solche Fragen und verwirrt die Kategorien. Warum nicht auch einmal alles zusammentragen, was rot ist?! Nur Puristen sehen rot, wenn monochrome Malerei auf Möbel, einen Kinderwagen, ein Kajak oder eine Wippe stößt. Hauptsache rot. Ist hier das Kriterium eine Farbe, so ist es nebenan eine Form: Türme und Säulen bilden im größten Raum des Erdgeschosses einen wahren Wald, in dem die Orientierung, was freie und was angewandte Kunst ist, schnell verloren gehen kann.

Soft Chair, Entwurf Susi und Ueli Berger, 1967 © Susi und Ueli Berger, Foto: Die Neue Sammlung – The Design Museum (A. Laurenzo)

Nicht nur auf Partys ist die Küche der beste Ort, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Angesichts einer frisch restaurierten Küche von Le Corbusier und Charlotte Perriand aus der Nachkriegszeit lässt sich trefflich darüber diskutieren, welche Rolle die Küche bis heute für die Zuweisung von Geschlechterrollen besitzt. Ein „spannendes“ Thema, wie eine von der Decke herabhängende Kette von Haushaltsgeräten der Künstlerin Mona Hatoum beweist, durch die Strom fließt und zum Beweis eine Glühbirne leuchten lässt. Überschrieben ist die „Küchenabteilung“ mit einem Schlagertitel von Johanna von Koczian: „Das bisschen Haushalt macht sich von allein - sagt mein Mann …“.

Auch für die anderen Räume wurden Titel von Songs und Schlagern gefunden. Dies macht deutlich, worauf es den Kurator und Kuratorinnen von Neuer Sammlung und Neuem Museum ankam: keine Belehrung, sondern Vergnügen beim Selbst-Entdecken.

Neues Museum Nürnberg
Klarissenplatz
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Telefon: 0911 2 40 20 69
nmn.de

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