Videofilme von Christoph Brech im Neuen Museum

Keine falsche Romantik

von Thomas Heyden - 27.2.2023

Nürnberg - Die Sonne geht unter, der Mond auf. Standbilder aus zwei Videofilmen von Christoph Brech, zu sehen im Neuen Museum. Immer wieder beschwört er Bilder des Kosmos und der Natur herauf. Nicht naiv, sondern im Bewusstsein, auf der Suche nach einem verlorenen Paradies zu sein.

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Standbild aus Christoph Brechs Film Alpensinfonie (2016)

„Früher fand ich Videokunst furchtbar langweilig“, sagt Ingvild Goetz, eine der wichtigsten deutschen Sammlerinnen dieser Form zeitgenössischer Kunst. Auch Christoph Brech ist mit Filmen in ihrer großen Münchner Sammlung vertreten. Was schützt die Videos Christoph Brechs davor, langweilig zu sein? Es ist sein feines Gespür für die Übergänge, aber auch die Widersprüche zwischen Natur, Kultur und Zivilisation. Der Mond, den Brech am 7. April 2020 filmte, ließ sich nur deshalb so überdeutlich sehen, weil der Himmel frei von Kondensstreifen war. Ein Effekt der Pandemie, die das Leben der Menschen und damit auch ihren Flugverkehr stark einschränkte. Das Wissen um diesen Hintergrund zerstört jede falsche Romantik.

Corona-Mond ist einer der sechs Filme im ersten Ausstellungsteil, der noch bis 22. März 2023 im Neuen Museum gezeigt wird. Ein anderer Film rückt gestrandete Fluggäste auf dem Flughafen von Dublin ins Bild. Sie sind nur schemenhaft zu erkennen, da der Künstler von unten durch einen halbdurchsichtigen Glasboden filmte. Die Passagiere können nicht weiterreisen, weil der isländische Vulkan Eyjafjallajökull Asche in die Atmosphäre spuckt. Gelangweilt rotieren sie auf Drehstühlen im Computerraum des Flughafengebäudes. Plötzlich setzt Johann Sebastian Bachs Musik ein und wirft ein heiter-versöhnliches Licht auf die Szene.

Was wären Brechs Videos ohne seine große Liebe zur Musik? Immer wieder setzt er sich mit klassischer und zeitgenössischer Musik, ihren Dirigenten und Interpreten auseinander. Mit großem inszenatorischem Aufwand hat Brech 2016 eines der Paradebeispiele für Programmmusik aufregend neu interpretiert. Statt die Alpensinfonie von Richard Strauss mit Aufnahmen von Bergen und Naturphänomenen vordergründig zu illustrieren, greift der Videokünstler tiefer und rekonstruiert den geistesgeschichtlichen Ursprung, der in der Nietzsche-Lektüre des Komponisten liegt. Brech verknüpft das musikalische Geschehen mit dem Lebenszyklus eines Menschen, der sich als Seiltänzer über den Abgrund bewegt. Im Bild der untergehenden Sonne schließt sich der Lebenskreis – vom 23. März bis 23. April (2. Ausstellungsteil) zu jeder vollen Stunde im Neuen Museum.

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Neues Museum Nürnberg
Klarissenplatz
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr
Telefon: 0911 2 40 20 69
nmn.de

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