Wer war Fritz Kittel?

von Susanne Kill - 18.10.2023

Nürnberg - Ein schweigender Held: In der neuen Ausstellung Wer war Fritz Kittel – ein Reichsbahnarbeiter entscheidet sich erzählt das DB Museum bis zum 28. Januar 2024 von einer ganz besonderen Rettungstat. Dank des stillen Helfers überlebten zwei Jüdinnen den Holocaust. Eine ungewöhnliche Geschichte, die berührt.

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Wer war Fritz Kittel? Multimediale Ausstellung zur Zivilcourage in der NS-Zeit © Deutsche Bahn AG

Wer war Fritz Kittel? Diese Frage richtet die Schriftstellerin Esther Dischereit 2019 an die Historische Sammlung der Deutschen Bahn in Berlin. Fritz Kittel war Reichsbahnarbeiter in der Niederlausitz. Und sein Name war in den Erzählungen ihrer Familie immer präsent. Ihre Mutter Hella hatte Fritz Kittel Ende 1944 in Sorau (Niederlausitz) kennengelernt, wo sie mit ihrer erstgeborenen Tochter Hannelore unter falschem Namen lebte. Der Eisenbahner half den beiden Jüdinnen aus Berlin, versteckte sie und überzeugte sie im Februar 1945, mit ihm vor der sowjetischen Armee Richtung Westen zu flüchten. An seinem neuen Dienstort im Kali-Bergbauort Heringen an der Werra meldete er Hella und Hannelore Zacharias als Ehefrau und Tochter an. Die falschen Papiere schützten die beiden vor der Deportation und Ermordung in einem der Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Nach Kriegsende trennen sich
ihre Wege.

Reichsbahnausweis von Hella Zacharias © Katrin Hammer

Recherchen führen Esther Dischereit nach Heringen zu Kittels Tochter und den Enkelkindern. Fritz Kittel hatte 1947 geheiratet. Erst durch die Begegnung mit der Schriftstellerin erfährt seine Familie von der Rettungstat. Dokumente, die lange rätselhaft waren, können jetzt ihre Geschichte erzählen. Ein schmaler Taschenkalender aus Sorau, in dem viele der Fluchtadressen von Hella Zacharias standen, machte deutlich, wie sehr Hella Zacharias Fritz Kittel vertraut hat. 2019 wurde der Kalender wieder für beide Familien zu einem Schlüsseldokument des gegenseitigen Vertrauens.

Aus der Begegnung der Familien von Fritz Kittel und Hella Zacharias entsteht die Idee zu der gemeinsam mit Esther Dischereit kuratierten Ausstellung.
Sie verbindet heutige Fragen mit der Geschichte und lädt dazu ein, die Geschichten in der Geschichte kennenzulernen. Siebzehn literarische Texte von Esther Dischereit korrespondieren mit den ausgestellten Fundstücken der Familien, den Fotos, Videos, Objekten, Zetteln und Dokumenten. Die Texte können in den Ausstellungsschubladen gefunden, gesammelt und mitgenommen werden. Die Dokumentarfilme von Gerhard Schick berichten von der Begegnung beider Familien und der gemeinsame Reise nach Żary, dem damaligen Sorau.

Heute wissen wir, dass Menschen, die in der NS-Zeit als Juden verfolgt wurden, Mut, Glück und etwa 20 Deckadressen benötigten, wollten sie in Deutschland der Deportation und dem Holocaust entkommen. Die Menschen, die halfen, begaben sich in große Gefahr, und doch gab es sie. Fritz Kittel war einer von den wenigen, die halfen, weil sie es für richtig hielten.

Er war einer von etwa 600.000 Beschäftigten, die 1933 für die Deutsche Reichsbahn arbeiteten. Die Ausstellung richtet den Blick auch auf weitere Eisenbahner, sie fragt nach anderen Helfenden und nach Eisenbahnern, die als Juden verfolgt wurden. Was geschah mit Paul Levy, Ludwig Homberger und Franz Bergmann, die sich im Kaiserreich und der Weimarer Republik um die Eisenbahn verdient gemachte hatten?

Die Ausstellung wurde im Februar in Berlin eröffnet, war in Chemnitz, Heringen und Frankfurt am Main zu sehen. In Nürnberg steht sie jetzt in engem Zusammenhang mit der Dauerausstellung Im Dienst von Demokratie und Diktatur.

DB Museum
Lessingstraße 6
90443 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – Fr 9 – 17 Uhr, Sa, So 10 – 18 Uhr
Telefon: 0800 32 68 73 86
dbmuseum.de

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