Albrecht Dürer geht unter die Haut

von Anne Sophie Schneider - 1.3.2024

Nürnberg - Mit Dürer ganz intim: Tätowierte und Tattoo Artists aus aller Welt folgten einem Aufruf des Albrecht-Dürer-Hauses und reichten Fotografien, Geschichten und Anekdoten zu ihren Dürer-Tattoos ein. Vom 12. April bis zum 1. September 2024 sind diese Liebeserklärungen der besonderen Art zu sehen.

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Nach Albrecht Dürers Die apokalyptischen Reiter: Tattoo von Maud Dardeau, Paris © Maud Dardeau

Der Körper eines Menschen und die Verzierung dessen sind eine überaus persönliche Angelegenheit. Die Beweggründe für Körperschmuck und die Wahl des Motives können ganz unterschiedlicher Art sein. Welcher genau? Das fragte das Museum und erhielt Antworten aus Australien, Tel Aviv, Charkiv, Rio de Janeiro, San Francisco, Montreal und direkt von nebenan, von heimatverbundenen Nürnbergern. In über 300 Einsendungen beschrieben Tattoo-Enthusiasten ihre ganz individuellen Beziehungen zu Albrecht Dürer, seiner Heimatstadt Nürnberg, seinem Œuvre oder den druckgrafischen Techniken. Insbesondere die große Ähnlichkeit in der Vorgehensweise beim Stechen eines Tattoos und bei druckgrafischen Techniken machen die Gegenüberstellungen in der Ausstellung zu einer reizvollen Symbiose. Gleichsam wie der Kupferstecher oder Radierer Linien in die Druckplatte arbeitet und anschließend einfärbt, sticht die Tätowiernadel die Farbe in die Haut der Kundin oder des Kunden. Linie für Linie entsteht beide Male ein bleibendes Kunstwerk.

„Als ich mit dem Tätowieren anfing, spürte ich sofort die Verbindung zwischen dem Gravieren einer Platte und dem Ritzen auf der Haut. Viele von Dürers Werken haben meine Kunst beeinflusst, sowohl in der Lithografie als auch beim Tätowieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Tätowieren eine hohe Kunst ist und eines der schwierigsten Medien, auf das ich mich je eingelassen habe“, sagt Zanereti, Tattoo Artist aus den USA.

Bei den eingereichten Tattoos handelt es sich jedoch nicht um bloße Reproduktionen von Werken Dürers. Die Tattoo Artists schaffen medienübergreifend ihre ganz eigene Kunst. Stile wie engraving, etching oder woodcut wurden in Anlehnung an die Druckgrafik für den Bildträger Haut adaptiert. Die französische Tattookünstlerin Maud Dardeau, die inspiriert von Dürers Linienführung und der Stärke seiner Kompositionen zum engraving style fand, interpretiert Die apokalyptischen Reiter (1497/1498) als back piece auf dem Rücken einer Kundin auf ihre ganz eigene Weise. In das ins Medium Tattoo übersetzte Motiv fließt klar erkennbar ihre eigene Handschrift mit ein: Linien und Schatten werden reduziert, der menschliche Körper mit breiter Schulterpartie, schmal zulaufender Hüfte und abschließenden Rundungen berücksichtigt.

„Albrecht Dürers Kupferstiche sind seit meinen Anfängen als Tätowiererin eine Inspirationsquelle für mich. Ich wollte mich damals von anderen abheben und eine zugleich neuartige wie auch zeitlose Textur auf die Haut bringen. Engraving war damals noch kein gängiger Tätowierstil. Dürers Linienführung, die Ausdruckskraft seiner Kompositionen und all die Nuancen, die er hervorbringen kann, haben mich schon immer fasziniert“, bekennt Maud Dardeau, Tattoo Artist aus Frankreich.

In der Ausstellung wird jedes Körperteil, das als Bildträger zur künstlerisch-technischen wie persönlichen Verewigung diente, zu sehen sein. Die Motive reichen von den Betenden Händen (1508) über den Feldhasen (1502), den bildgewaltigen Zyklus der Apokalypse (1496–1498) – mitsamt herausgegriffenen Details wie dem Engel – bis zu weniger bekannten Werken Dürers.

Die Sechs Kissenstudien wollte ich unbedingt tätowieren und fand John Stanley Hunter, der sie sich dann über den Oberkörper verteilt stechen ließ. Lay down on my pillows war hierzu der Arbeitstitel“, erzählt Rooshi, Tattoo Artist aus Berlin, über ihre von Dürer so stark inspirierte Arbeit. Egal ob sorgfältig geplante Motive wie die Sechs Kissenstudien (1493), spontane Urlaubserinnerungen oder im Tattoo verarbeitete Schicksalsschläge: Die Ausstellung gibt allen Raum. Eindrucksvoll zeigt sich dabei, dass das Gesamtwerk Dürers interdisziplinär und über Ländergrenzen hinweg längst ikonisch verstanden wird. Mit dem Sprung hinaus aus den klassischen Disziplinen der Kunstgeschichte hinein in die – längst nicht mehr als Modeerscheinung zu verstehende – Szene der Körperkunst bietet das Albrecht-Dürer-Haus eine Bühne, die keine Gattungs-, Generations- oder Milieugrenzen kennt.

https://albrecht-duerer-haus-de

Albrecht-Dürer-Haus
Albrecht-Dürer-Straße 39
90403 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – Fr 10 – 17 Uhr, Sa, So, 10 – 18 Uhr
Telefon: 0911 2 31-25 68
albrecht-duerer-haus.de

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