Mit Quark und Ei voll im Trend
Da Bauherren seit Jahrhunderten die Qualität von Ei und Kasein, den Proteinanteil der Milch, als Bindemittel zu schätzen wissen, rührt Dieter Gottschalk Eitempera und Kaseinfarbe im Freilandmuseum regelmäßig an. Zuletzt beispielsweise beim Wiederaufbau des mittelalterlichen Badhauses aus Wendelstein und der ehemaligen Synagoge aus Allersheim.
Im Badhaus wurden die im Fachwerk ergänzten Hölzer, die deutlich heller als die Originale waren, mit einer Mischung aus Eiern, Wasser, Leinöl und Rußschwarz an den Altbestand angeglichen. Selbst als Bodenfarbe eignet sich die abriebfeste Eitempera, die zwar über hervorragende Bindefähigkeit verfügt, aber dennoch nicht klebt.
Zu den Vorteilen von Kaseinfarben zählen die positiven Auswirkungen auf das Raumklima, die leichte Verarbeitung und ihre gute Haftfähigkeit auf verschiedenen Materialien. Lediglich in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit wie Bad und Keller ist die Verwendung von Kaseinfarben weniger zu empfehlen. Dort gelten Sumpfkalkfarben als bessere Alternative.
Schadstoffarm und nachhaltig: Das trifft auch auf Leinöl zu, das nahezu „überall, wo Oberflächen angestrichen werden“, wertvolle Dienste leisten kann, urteilt der Museumsrestaurator. Er schätzt an den historischen Farben unter anderem, dass punktuelle Reparaturen einfacher zu bewerkstelligen sind als bei Farben auf Kunststoffbasis.
Der Vorzug, dass nicht alle 20 Jahre die komplette Hausfassade neu gestrichen werden muss, bedeutet freilich im Umkehrschluss, dass Ausbesserungen als solche erkennbar sind. Nach Einschätzung Dieter Gottschalks bedürfen historische Baustoffe daher eines gewissen Verständnisses. Eventuell müssten auch andere Reparaturintervalle als bei Wandfarben mit Kunstharzen akzeptiert werden. Für den Restaurator ist das kein Problem: „Oberflächen dürfen altern.“
Zu den Aufgaben des Fränkischen Freilandmuseums gehört für ihn nicht nur die Pflege und der Erhalt der historischen Gebäude, sondern außerdem die Weitergabe historischer Handwerkstechniken und Vermittlung von Erfahrungswerten bei deren Anwendung: „Als Museum können wir Beispiele geben.“ Etwa beim Handwerker- und Techniktag im April, wenn Holzstämme mit Beilen entrindet und auf der hohen Bocksäge von Hand zersägt werden.
Auch bietet die Pädagogik des Freilandmuseums Kurse zum Beispiel zu Lehm als „historischen Universalbaustoff“ oder zu historischen Putztechniken an. Speziell Lehm, der anfangs nur im Denkmalschutz ein Nischendasein fristete, sei wieder mehr und mehr von Bauherren entdeckt worden. Zwischenzeitlich sei er in Naturbaustoff-Märkten „baufeucht“ verfügbar, sagt Dieter Gottschalk. Überhaupt sei inzwischen eine breite Palette an „tollen Baustoffen“, die früher aufwendig selbst hergestellt werden mussten, erhältlich.
Bei der Wohnqualität, versichert der Experte, müssten Bauherren bei historischen Baustoffen keine Abstriche machen. Hinsichtlich ihrer Klimabilanz sind diese für den Museumsrestaurator ohnehin konkurrenzlos: „Am Ende bleibt kein Müll übrig“. Sogar in finanzieller Hinsicht könnten sie mithalten.
Die Begeisterung des Restaurators für historische Baustoffe macht selbst vor Kuhdung nicht halt. Sowohl beigemischt in Lehmputz als auch als Farbanstrich kam er im Fränkischen Freilandmuseum bereits zur Verwendung - im Badhaus aus Wendelstein sorgt er für einen warmen Umbraton.
Fränkisches Freilandmuseum
Eisweiherweg 1
91438 Bad Windsheim
Öffnungszeiten: Geöffnet täglich 9 – 18 Uhr
Telefon: 09841 66-800
freilandmuseum.de