Kein Mensch ist eine Insel
Als der 16-jährige Kaspar Hauser im Jahr 1828 auf dem Nürnberger Unschlittplatz auftaucht, ist er verwahrlost, kann kaum sprechen und ist mit vielen sozialen Verhaltensweisen nicht vertraut. Später wird sich herausstellen, dass der Junge über Jahre in völliger Isolation in einem dunklen Verlies gelebt hat. Das historische Beispiel zeigt: Der Mensch ist ein soziales Wesen, das zwischenmenschliche Verbindungen eingeht, weil ihm Gemeinschaft ein grundlegendes Bedürfnis ist. Das für die Psyche so zentrale Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit entwickelt er, trotz einer zunehmend individualisierten Gesellschaft, nur in einem ebenso komplexen wie wechselseitigen Beziehungsgeflecht mit seinen Mitmenschen. Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Auch für diese existenziellen Fragen der Identitätsfindung ist eine soziale Einbindung wesentlich. Wir finden keine Antworten, wenn wir uns nicht mit anderen Menschen auseinandersetzen, sie studieren, Sympathien oder Antipathien entwickeln, uns solidarisieren oder abgrenzen.
Der Entzug zwischenmenschlicher Nähe ist für uns dramatisch und dennoch wird diese Form der Bestrafung gerade bei den innigsten Beziehungen – zwischen Eltern und Kindern oder in Paarbeziehungen – eingesetzt.
In ihren Videos, Performances und Installationen beschäftigt sich zum Beispiel die 1986 in Durban (RSA) geborene Künstlerin Kirstin Burckhardt mit den Fragen physischer Isolation. In der Kunsthalle Nürnberg zeigt sie eine schwarze Holzbox, deren Grundriss einer Einzelzelle in einem US-amerikanischen Gefängnis entspricht. In dieser Box: Dunkelheit und die tröstende Soundlandschaft You are not alone … ever, die die Künstlerin gemeinsam mit dem Musiker Tobias Gronau entwickelt hat.
Malerei, Zeichnung, Fotografie, Film, Skulptur, Installation und Performance: Die Werke der zwölf Kunstschaffenden thematisieren die Konstanten zwischenmenschlicher Beziehungen – Liebe, Empathie und Geborgenheit einerseits sowie andererseits Hass, Abhängigkeit und Ausgrenzung. Sie zeigen uns eine Welt voller Instabilitäten und offerieren uns zugleich Alternativen im Umgang miteinander und mit unserer Welt. Sie finden eindrückliche Bilder für dieses „something between us“, das unter der Oberfläche liegt und für das unsere Sprache keine angemessenen
Worte findet.
Kunsthalle Nürnberg
Lorenzer Straße 32
90402 Nürnberg
Öffnungszeiten: Di – So 11 – 18 Uhr, Mi 11 – 20 Uhr
Telefon: 0911 2 31-28 53
kunsthalle.nuernberg.de