Alex Müller. Bis die Zeit vergeht

24. Juni - 1. Oktober 2023

Eröffnung: Freitag, 23. Juni 2023, 19 Uhr mit der Performance "Alles 526"

"Bis die Zeit vergeht": Bereits der Ausstellungstitel, der eine Verszeile aus dem Song "Déjà Vu" der 1980er-Jahre-Band Spliff zitiert, verweist auf einen zentralen Aspekt im Werk der Künstlerin Alex Müller (*1969 in Düren; lebt und arbeitet in Berlin und in der Ucker­mark): das komplexe Phänomen Zeit.

Immer wieder findet sie eindrückliche Bild­äquivalente für die Zeit, für ihr Voranschreiten ebenso wie für ihre Relativität. Für die Kunsthalle Nürnberg hat Alex Müller aus biografischen Anspielungen, kulturellen Ver­weisen und kunsthistorischen Bezügen eine inhaltlich wie ästhetisch abwechslungs­reiche Ausstellung in acht Kapiteln entwickelt.

Hände, Hüte, Besen und das Haus vom Nikolaus. Messer, Gabel, Löffel und die Fünf als kompakte Strichliste. Erbsen, Füße, Stiefel und grafische Muster: All diese Stell­vertreter unserer Lebensrealität erhalten im Werk von Alex Müller eine spezifische Auf­ladung, ebenso wie jegliches Material in ihrem Œuvre zum künstlerischen Werkstoff werden kann. Die narrative Offenheit ihrer Arbeiten verstärkt die Künstlerin durch ein kluges Spiel mit den Grenzverläufen zwischen Malerei, Zeichnung, Bildhauerei, Installation, Film, Sound und Performance.

Oft erscheinen die Gemälde von Alex Müller wie Standbilder eines Filmes. Die Künstlerin hat mit ihren Bildern einen spezifischen Weg gefunden, den Augenblick festzuhalten und die Vergangenheit nicht durch einen Erzählfluss, sondern durch eine Vielzahl an prägnanten Momentaufnahmen zu visualisieren. Ihre assoziativen Werktitel haben oft einen biografischen Bezug. Hier finden sich Namen von Verwandten und Freund*innen, von Held*innen ihrer Kindheit und Jugend, Verweise auf geliebte Bücher und Filme sowie auf Ereignisse oder Emotionen aus der Vergangenheit. Geschichten werden angedeutet, aber nie vollständig erzählt. Lücken und Leerstellen laden ein, sie mit eigenen Erfahrungen und Assoziationen zu füllen.

Mit Bis die Zeit vergeht hat Alex Müller für die acht Oberlichtsäle der Kunsthalle Nürn­berg eine spezifische Ausstellung entwickelt, denn die Dramaturgie der Räume scheint besonders geeignet, den komplexen Kosmos der Künstlerin zu visualisieren. Sie dienen der Künstlerin als eine Art Archiv und bieten die Möglichkeit, zu sortieren, zu gewichten und Relevantes zu thematisieren. So benennt die Künstlerin die Ausstellungsräume nach Orten und damit nach zentralen Stationen in ihrer Biografie: vom Dorf Huchem-Stammeln bei Düren über Los Angeles und Carcassonne bis zum Berliner Stadtteil Neukölln, indem die Künstlerin heute lebt. Ein zielorientiertes Durch­schreiten der Räume wird von der Architektur nicht vorgegeben. Jeder der Räume der Kunsthalle Nürnberg besitzt eine neue Ausrichtung sowie charakteristische Proportion, und jeder der Räume führt uns weiter und weiter durch eine Architektur, die in die historische Stadtmauer Nürnbergs integriert ist. Gekonnt thematisiert Alex Müller diese spezifische Raumstruktur, indem sie die Ausstellungsbesucher*innen immer wieder vor Barrieren laufen lässt, alternative Laufwege definiert oder durch installative Eingriffe Umwege provoziert.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag Kettler eine umfassende Werkmonografie. Mit Texten von Shannon Bool, Dominic Eichler, Dr. Marietta Franke, Kalin Lindena, Alex Müller, Dr. Sasha Rossman und Dr. Harriet Zilch geben die Textbeiträge gerade in ihrer Unterschiedlichkeit einen eindrücklichen Einblick in das Leben und Werk der Künstlerin (Dt./Eng., ISBN 978-3-98741-069-7, 45 Euro).

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