Arte Povera. Arbeiten und Dokumente aus der Sammlung Goetz 1958 bis heute

02.10. bis 07.12.1997

Die Kunsthalle Nürnberg zeigte mit der Ausstellung Arte Povera einen repräsentativen Überblick über diese italienische Kunstströmung der späten sechziger Jahre. Alle ausgestellten Arbeiten kamen aus der Münchner Sammlung von Ingvild Goetz, die in den siebziger Jahren zunächst als Galeristin und später als private Sammlerin bereits sehr früh die Werke der Arte Povera gesammelt hat.

Der Begriff Arte Povera wurde vor genau dreißig Jahren von dem italienischen Kritiker Germano Celant geprägt. Er brachte damit auf einen Begriff, was eine Reihe junger Künstler in Turin, Mailand und Rom damals unabhängig voneinander beschäftigte. In kritischer Haltung gegenüber dem herkömmlichen, geschlossenen Werkbegriff und dem etablierten Kunstbetrieb, wollten die Künstler ihre Werke in der Realität verankern. Im Gegensatz zu den in den USA entstandenen Strömungen der Pop Art oder Minimal Art ist diese angestrebte Präsenz in den neuen Werken nicht geschichtslos, sondern bindet sich in Zitaten und Metaphern bewußt an ein italienisch-europäisches Kulturerbe.

Die Werke der Arte Povera bilden die Welt nicht ab, sondern erschaffen sie in poetischen Erzählungen und unerwarteten Konstellationen immer wieder neu. Die Künstler benutzen die Unmittelbarkeit und Unkalkulierbarkeit, die vermeintliche "Ärmlichkeit" der Materialien aus Natur und Leben, um Werke zu schaffen, die offen und veränderlich bleiben. Feuer brennt und verbrennt, Wasser breitet sich aus und gefriert, Luft kondensiert zu Reif, Pferde schnauben, Früchte des Feldes wachsen und vergehen, Neon durchzieht energetisch die Malerei, Gold oder Wachs erstarren und verschließen. Das Spiel mit der Prozesshaftigkeit, mit der Fragilität und der Flüchtigkeit elementarer Stoffe verbindet sich in diesen Werken ganz selbstverständlich mit Errungenschaften der Zivilisation.

Der Überblick über Werke der Arte Povera zeigt, daß diese Kunstströmung zu einer klassischen Avantgardebewegung der Kunst der sogenannten "zweiten Moderne" nach 1960 geworden ist. Für die Kunst von heute liefert sie immer noch wesentliche Impulse in der Beschäftigung mit den Grenzen und fließenden Übergängen von Kunst und Leben.

Die Ausstellung umfaßt Werke der Hauptvertreter der Arte Povera:
Giovanni Anselmo (*1934), Alighiero Boetti (*1940-gest. 1994), Pier Paolo Calzolari (1943), Luciano Fabro (*1936), Jannis Kounellis (*1936), Mario Merz (*1925), Giulio Paolini (*1940), Pino Pascali (*1935-gest. 1968), Guiseppe Penone (*1947), Michelangelo Pistoletto (*1933), Emilio Prini (*1943) und Gilberto Zorio (*1944).

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Museum Neue Weserburg in Bremen, wo sie vom 22. Juni bis zum 7. September 1997 zu sehen war. Weitere Stationen der großen Überblicksausstellung sind Köln (Kunstverein), Wien (Museum moderner Kunst) und Göteborg (Konsthallen).

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der alle Arbeiten abbildet und wissenschaftlich dokumentiert sowie zahlreiche neue Texte und Interviews mit den Künstlern enthält.

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