Who's Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst

21. Oktober 2023 - 11. Februar 2024

 

Gemeinsam mit dem Kunsthaus zeigt die Kunsthalle Nürnberg die internationale Gruppenausstellung "Who’s Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst". Die Ausstellung präsentiert Werke, die um Leben und Begehren jenseits der Heteronormativität kreisen und einen substanziellen Beitrag zur aktuellen Debatte über Diversität leisten.

English version

Tickets im Webshop kaufen

Ausstellungsmagazin im Webshop kaufen

T-Shirt von Julia Bünnagel im Webshop kaufen

Gemeinsam präsentieren Kunsthaus und Kunsthalle Nürnberg die internationale Gruppenausstellung Who’s Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst. Die Ausstellung präsentiert Werke von 30 Künstler*innen, die Aspekte queeren Lebens thematisieren und durch ihre spezifischen Sichtweisen auf soziale Machtstrukturen einen substanziellen Beitrag zur aktuellen Debatte über Diversität leisten.

Für den Ausstellungstitel Who’s Afraid Of Stardust? stand David Bowies legendäre Kunstfigur Ziggy Stardust Pate: Kurze feuerrote Haare, ein experimentelles Make-up, hohe Schuhe und sexuell aufgeladene Bühnenshows: Mit dem Außerirdischen Ziggy Stardust schuf David Bowie 1972 eine weltberühmte Figur, die mit Geschlechterrollen und sexueller Identität spielte und zugleich eine zweigeschlechtliche und hetero­normative Gesellschaftsordnung in Frage stellte. Damit verweist der Ausstellungstitel auch auf den für die queere Community zentralen Dualismus aus gesellschafts­politischem Kampf sowie Pop und Glamour.

Wörtlich übersetzt heißt „queer“ so viel wie „schräg“ oder „seltsam“. Im englischen Sprachraum galt der Begriff lange Zeit als abwertende Bezeichnung für Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung nicht der gesell­schaftlichen Norm entsprachen. Doch seit den 1990er-Jahren erlebte der Begriff einen Aneignungs- und Umdeutungsprozess durch die Community. Sowohl als positive Selbst­bezeichnung wie auch im Kontext eines wissenschaftlichen und politischen Aktivismus steht „queer“ heute selbstbewusst für alle, die sich nicht der heteronormativen Mehr­heitsgesellschaft zugehörig fühlen.

Queere Kunst und Künstler*innen gibt es wohl seitdem der Mensch sich künstlerisch äußert. Queere Theorie und Kunstgeschichte sind hingegen relativ neue Disziplinen. Der feministischen Kunstgeschichte ähnlich beginnen Wissenschaftler*innen in den 1970er- und 1980er-Jahren, den klassischen Kunstkanon neu zu betrachten. Publikationen über Künstler wie Donatello, Verrocchio, Leonardo da Vinci oder Michel­angelo berücksichtigen bei der Werkanalyse nun auch deren Homosexualität.

Parallel vollzieht sich auch in der bildenden Kunst ein Wandel in der Sichtweise: Damals feierte Andy Warhol neben Schauspieler*innen und Models wie Edie Sedgwick auch Dragqueens und trans*-Menschen wie Candy Darling und Holly Woodlawn als Musen und holte sie vor die Kamera. Keith Haring nutzte in den 1980er-Jahren seine ikonische Kunst immer wieder im Kampf gegen HIV, und auch Peter Hujar fotografierte jene Menschen, deren Leben und Identitäten ver­leugnet und deren Leiden ignoriert wurden. Denn nach einem emanzipatorischen Auf­bruch der queeren Community in den 1970er-Jahren löste die Ausbreitung des Virus eine unfassbare Krise aus. In der öffentlichen Wahrnehmung war die Infektionskrankheit eng mit männlicher Homosexualität verknüpft. Die Debatte um HIV und Aids verschärfte und generierte eine queerfeindliche Haltung, und nicht nur in den Augen der Kirchen und Konservativen galt HIV als göttliche Strafe.

Heute erfährt queere Gegenwartskunst internationale Aufmerksamkeit, die auch eine neu gewonnene Sichtbarkeit von gender-nonkonformen Künstler*innen und Inhalten umfasst. Die Ausstellung Who’s Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst zeigt Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Videoarbeiten, Skulpturen, Performances, Raum- wie Licht­installationen von 30 Künstler*innen. Heterogen sind die Identitäten, Lebensmodelle und Ausdrucksweisen, die in der LGBTIQA*-Szene zusammenfinden. Variantenreich sind auch die künstlerischen Kommentare, die um Leben und Begehren jenseits der Heteronormativität kreisen, mit Geschlechterrollen und -grenzen spielen und zu einer Überprüfung begrenzter Vorstellungen von Geschlecht und Identität auffordern.

MAGAZIN ZUR AUSSTELLUNG

Zur Ausstellung ist ein umfangreiches Magazin im Verlag für moderne Kunst erschienen (200 Seiten, 19 Euro). Im Mittelpunkt stehen die an der Ausstellung beteiligten Künstler*innen. Zugleich ist das Magazin auch eine Fundgrube für alle Leser*innen, für die Queerness noch Neuland ist: Das Magazin enthält neben einem Glossar, das zentrale Begriffe erläutert, auch Interviews mit Wissenschaftler*innen der Gender und Queer Studies, Texte über queere Pop- und Filmgeschichte, Ballroom Culture, queere Mode, die Geschichte der Prides in Deutschland sowie die Entwicklung des § 175. Literarische und gesellschaftspolitische Texte u. a von Hengameh Yaghoobifarah, Daniel Schreiber und Benno Gammerl ergänzen den multi­perspektivischen Blick auf queere Kultur.

Teilnehmende Künstler*innen / Participating artists: 

Soufiane Ababri, *1985 in Rabat (MA), lebt und arbeitet/lives and works in Paris (FR) und/and Tanger (MA), @soufianeababri

Leigh Bowery, *1961 in Sunshine/Melbourne (AU), †1994 in London (GB), @leighbowery

Katherine Bradford, *1942 in New York City (US); lebt und arbeitet/lives and works in Brooklyn und/and Brunswick/Maine (US), @kathebradford

Julia Bünnagel, *1977 in Haan (DE); lebt und arbeitet/lives and works in Köln/Cologne (DE), @julia_buennagel

Hans Diernberger & Will Saunders,*1983 in München/Munich (DE), *1983 in Stockton-on-Tees (GB), leben und arbeiten/live and work in Köln/Cologne (DE)
@flirty_flautist

Jochen Flinzer, *1959 in Bad Harzburg (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Hamburg (DE), @jochenflinzer

Félix González-Torres, *1957 in Guáimaro (CU), †1996 in Miami/Florida (US), @felixgonzaleztorres.foundation

Harry Hachmeister, *1979 in Leipzig (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @achharry

Keith Haring, *1958 in Reading/Pennsylvania (US), †1990 in New York City (US), @keithharringfoundation

Peter Hujar, *1934 in Trenton/New Jersey (US), †1987 im/in Westchester County (US), @peterhujararchive

Oliver Husain, *1969 in Frankfurt a. M. (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Toronto (CA), @oliverhusain

Verena Issel, *1982 in München (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @verenaverena

Sabrina Jung, *1978 in Neuss (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @sabrina.jung

Barish Karademir & Walter Schütze
*1989 in Heidelberg (DE) (Barish Karademir), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin und/and Nürnberg/Nuremberg (DE)
*1970 in Frankenberg/Eder (DE) (Walter Schütze), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE)
@barish.karademir @walterschuetze

Zora Kreuzer, *1986 in Bonn (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @zorakreuzer

Navot Miller, *1991 in Shadmot Mehola (IL), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @navotmiller

Mrzyk & Moriceau, *1973 in Nürnberg (DE) (Petra Mrzyk), *1974 in Saint-Nazaire (FR) (Jean-François Moriceau), leben und arbeiten/live and work in Montjean-sur-Loire (FR), @mrzyk_moriceau

Andreas Oehlert, *1966 in Fürth (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Fürth und/and Nürnberg/Nuremberg (DE), @andreasoehlert

Jens Pecho, *1978 in Frankfurt a. M. (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @jenspecho

Martin Pfeifle, *1975 in Stuttgart (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Düsseldorf (DE), @martinpfeifle

Claus Richter, *1971 in Lippstadt (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Köln/Cologne (DE), @sherlockrichter

Chloe Sherman, *1969 in New York City (US), lebt und arbeitet/lives and works in San Francisco (US), @chloedsherman

Cindy Sherman, *1954 in Glen Ridge/New Jersey (US), lebt und arbeitet/lives and works in New York City (US), @cindysherman

Otakar Skala, *1996 in Mariánské Lázně (CZ), lebt und arbeitet/lives and works in Nürnberg/Nuremberg (DE), @otakarskala

Andy Warhol, *1928 in Pittsburgh/Pennsylvania (US), †1987 New York City (US), @andywarhol_archive

Thilo Westermann, *1980 in Weiden i. d. OPf. (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @thilowestermann

Tobias Zielony, *1973 in Wuppertal (DE), lebt und arbeitet/lives and works in Berlin (DE), @tobiaszielony
 

Who’s Afraid Of Stardust? Positions of Contemporary Queer Art

The Kunsthaus and Kunsthalle Nürnberg are collaborating to present the international group exhibition Who’s Afraid of Stardust? Positions of Contemporary Queer Art. The exhibition features works by 30 artists who address aspects of queer life and so make substantial contributions to the current debate on diversity with their individual perspectives on societal power structures.

David Bowie’s legendary art-figure Ziggy Stardust is the inspiration behind the exhibition title Who's Afraid of Stardust? Short flaming red hair, experimental make-up, high heels and sexually charged stage shows: In the alien Ziggy Stardust, David Bowie created a world-famous genderfluid figure in 1972, playing with gender roles and sexual identity and thus throwing into question the two-gender, heteronormative social order. The exhibition title, therefore, also refers to the dualism of socio-political struggle and pop and glamour that is central to the queer community.

In the English-speaking world, the term queer was long regarded as pejorative, referring to people whose non-heteronormative gender identity and/or sexual orientation did not correspond to the prevailing social norms. However, since the 1990s, the word has undergone a process of appropriation and reinterpretation by the community. Today, both as a positive self-designation and in the context of academic and political activism, “queer” stands confidently for all those who do not feel that they belong to the heteronormative majority society.

Queer art and artists have existed ever since human beings began to express themselves artistically. Queer theory and art history are relatively new disciplines. As with feminist art history, it was in the 1970s and 1980s that scholars began to re-examine the classical canon of art. Publications on artists such as Donatello, Verrocchio, Leonardo da Vinci or Michelangelo began to take their homosexuality into account when analysing their works.

In the visual arts, a parallel change in perspective occurred: At that time, Andy Warhol was celebrating drag queens like Candy Darling, Holly Woodlawn or Edie Sedgwick as muses and brought them in front of the camera. In the 1980s, Keith Haring used his iconic art again and again in the fight against HIV, and Peter Hujar also photographed people whose life and identities were being rejected and whose suffering was ignored. After an emancipatory awakening of the queer community in the 1970s, the spread of the virus triggered an incomprehensible crisis. In public perception, the infectious disease was closely linked to male homosexuality. The debate on HIV and AIDS intensified and generated a queer-hostile attitude – not only in the eyes of the churches and conservatives, HIV was seen as divine punishment.

Queer contemporary art is receiving international attention today, also involving a newfound visibility of gender-nonconforming artists and content. The exhibition Who’s Afraid Of Stardust? Positions of Contemporary Queer Art shows paintings, drawings, photographs, video works, sculptures, performances, and light and sound installations by 30 artists. The identities, ways of life and modes of expression that come together on the LGBTIQA* scene are heterogeneous. There is similar variation, therefore, among these artistic statements, which revolve around life and desire beyond heteronormativity, play with gender roles and boundaries, and call for a review of restrictive notions of gender and identity.

MAGAZINE FOR THE EXHIBITION

A comprehensive magazine (192 pages, German/English Verlag für moderne Kunst; ISBN 978-3-99153-050-3) will be published to accompany the exhibition. Its focus will be on the artists participating in the exhibition, but at the same time, the magazine provides a treasure trove for all readers for whom queerness is still new territory. In addition to a glossary explaining key terms, the magazine also contains interviews with scholars of gender and queer studies, texts on queer pop and film history, ballroom culture, queer fashion, the history of Prides in Germany and the development of § 175. Literary and socio-political texts by Hengameh Yaghoobifarah, Daniel Schreiber and Benno Gammerl, among others, complement this multi-perspective view of queer culture.

zurück
Teilen mit