Die AusstellungGemeinsam präsentieren Kunsthaus und Kunsthalle Nürnberg die internationale Gruppenausstellung Who’s Afraid Of Stardust? Positionen queerer Gegenwartskunst. Die Ausstellung präsentiert Werke von 30 Künstler*innen, die Aspekte queeren Lebens thematisieren und durch ihre spezifischen Sichtweisen auf soziale Machtstrukturen einen substanziellen Beitrag zur aktuellen Debatte über Diversität leisten.Für den Ausstellungstitel stand David Bowies legendäre Kunstfigur Ziggy Stardust Pate: Kurze feuerrote Haare, ein experimentelles Make-up, hohe Schuhe und sexuell aufgeladene Bühnenshows: Mit dem Außerirdischen Ziggy Stardust schuf David Bowie 1972 eine weltberühmte Figur, die mit Geschlechterrollen und sexueller Identität spielte und zugleich eine zweigeschlechtliche und heteronormative Gesellschaftsordnung in Frage stellte. Damit verweist der Ausstellungstitel auch auf den für die queere Community zentralen Dualismus aus gesellschaftspolitischem Kampf sowie Pop und Glamour.
Wörtlich übersetzt heißt „queer“ so viel wie „schräg“ oder „seltsam“. Im englischen Sprachraum galt der Begriff lange Zeit als abwertende Bezeichnung für Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen. Doch seit den 1990er-Jahren erlebte der Begriff einen Aneignungs- und Umdeutungsprozess durch die Community. Sowohl als positive Selbstbezeichnung wie auch im Kontext eines wissenschaftlichen und politischen Aktivismus steht „queer“ heute selbstbewusst für alle, die sich nicht der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen.
Für den Ausstellungstitel stand David Bowies legendäre Kunstfigur Ziggy Stardust Pate: Kurze feuerrote Haare, ein experimentelles Make-up, hohe Schuhe und sexuell aufgeladene Bühnenshows: Mit dem Außerirdischen Ziggy Stardust schuf David Bowie 1972 eine weltberühmte Figur, die mit Geschlechterrollen und sexueller Identität spielte und zugleich eine zweigeschlechtliche und heteronormative Gesellschaftsordnung in Frage stellte. Damit verweist der Ausstellungstitel auch auf den für die queere Community zentralen Dualismus aus gesellschaftspolitischem Kampf sowie Pop und Glamour.
Wörtlich übersetzt heißt „queer“ so viel wie „schräg“ oder „seltsam“. Im englischen Sprachraum galt der Begriff lange Zeit als abwertende Bezeichnung für Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung nicht der gesellschaftlichen Norm entsprachen. Doch seit den 1990er-Jahren erlebte der Begriff einen Aneignungs- und Umdeutungsprozess durch die Community. Sowohl als positive Selbstbezeichnung wie auch im Kontext eines wissenschaftlichen und politischen Aktivismus steht „queer“ heute selbstbewusst für alle, die sich nicht der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft zugehörig fühlen.
Foyer
Julia Bünnagel
Julia Bünnagel verdeutlicht Strukturen und veranschaulicht Wahrnehmungszusammenhänge. Sound ist für sie dabei essenziell, da er unmittelbar körperlich empfunden wird und keiner Erklärung bedarf. Ausgangsmaterial für die Soundinstallation ALL HUMANS LOVE sind Schallplatten mit Liebesliedern. Durch Fragmentieren und Loopen formt sie die Klänge zu ungewöhnlichen Kompositionen. Stereotype Texte und Vocals werden verändert, wodurch die Geschlechterzuweisung verwischt.
Als Bildhauerin arbeitet sie aber nicht nur akustisch, sondern auch ortsbezogen als Installationskünstlerin und setzt mit ihren Schriftzügen einen goldenen Start in die Ausstellung. Mit ihrer Kombination aus Klang, Text und Bild knüpft Julia Bünnagel im Foyer der Kunsthalle ein vielbezügliches Assoziationsnetz, das alle einlädt, ALL HUMANS LOVE in Form eines Stickers persönlich weiterzutragen.
Die Botschaft ihrer Arbeit I'm not dancing I'm fighting (Raum 5), zitiert aus dem gleichnamigen subtil ekstatischen Dancetrack der britischen Musikerinnen Tirzah & Micatchu, unterstreicht Haltung und Ort als zentrale Momente. Orte der Freiheit und des Widerstandes sind oftmals Plätze, an denen Musik und ihre jeweilige Kultur zelebriert wird. Im Songtext folgt darauf: „I'm not shining, I'm burning/ I'm not touching, I'm feeling.” Die Zeile I'm not shining, I'm burning zitiert die Künstlerin in ihrer Wandarbeit im Foyer in schwarzer Schrift auf goldenem Grund.
Für die Ausstellung entwarf Julia Bünnagel eine T-Shirt-Kollektion. Jedes Stardust-Shirt ist ein Unikat. Die Shirts können an der Kasse sowie im Webshop erworben werden (85 Euro).
Raum 1: Zora Kreuzer // Tobias Zielony
Zora Kreuzer, Pink Champagne, 2023
Mit meist nur minimalen Eingriffen gelingt es Zora Kreuzer (*1986), höchst poetische Licht- und Farbräume zu schaffen, in denen die Realität auf einmal ganz anders und vor allem sinnlich erfahrbar wird. Ihre Arbeiten verändern die Wirkung des jeweiligen Raumes und heben seine architektonischen Eigenheiten hervor, ohne in den materiellen Bestand einzugreifen. Existierendes rückt sie in besonderer Weise ins Bewusstsein, überführt Ungesehenes in eine neue Sichtbarkeit und schärft damit unsere Wahrnehmung für die Wirklichkeit.
Eine von Zora Kreuzers zentralen Inspirationsquellen ist die Clubkultur. In Clubs herrscht eine besondere Atmosphäre und das vielleicht wichtigste Element dafür ist das Licht. Scheinwerfer, Leuchten, Neonröhren und Projektionen fügen sich hier zu Farb-Licht-Inszenierungen zusammen, die den architektonischen Raum entmaterialisieren. Seit jeher sind queere Clubs ein wichtiger Ort für die LGBTIQ* Community. Dabei geht es nicht nur um das gemeinsame Feiern. Queere Partys sind auch immer politisch, denn sich als marginalisierte Gruppe Raum zu nehmen, sichtbar zu werden, ist immer auch ein Akt des Protests.
Tobias Zielony, Maskirovka, 2017
Tobias Zielonys Arbeiten mit dem Titel Maskirovka (2017) befassen sich mit der Techno- und queeren Szene in Kiew nach der Revolution von 2013, aber noch vor der massiven Invasion der Ukraine seit Februar 2022. Die Aufnahmen wirken spontan, wie zufällig, teilweise unscharf. Junge Menschen hängen in heruntergekommenen Parks ab, warten vor den Türen eines Clubs auf Einlass, schlagen zu Hause die Zeit tot. Sie tanzen, trinken, nehmen Drogen. Vieles spielt sich im Schutz der Dunkelheit ab.
Neben den einzelnen Fotografien entstand auch eine Stopp-Motion-Animation, die sich aus 5.400 Einzelbildern zusammensetzt. In diesem Film kombiniert Tobias Zielony (*1973) seine Fotos von den Jugendlichen mit Straßenszenen und Aufnahmen, die er vom Fernsehgerät abfotografiert hat: Sie zeigen das Kriegsgeschehen an der Front im umkämpften Donbas. Der Film besitzt durchgängig zwei Bildebenen und schaltet fünfmal pro Sekunde zwischen beiden hin und her. Maskirovka ist eine zeitgenössische Erzählung über die vielschichtige Realität in der Ukraine in der Zeit zwischen den Protesten auf dem Maidan und der unverhüllten russischen Aggression seit Februar 2022.
Raum 2: Peter Hujar // Jens Pecho // Andy Warhol // Felix Gonzalez-Torres
Peter Hujar
Nicht zuletzt fotografierte Hujar eben jene Menschen, deren Leben und Identitäten verleugnet, deren Leiden ignoriert und billigend in Kauf genommen wurde. Stellvertretend dafür stehen die Schicksale der Porträtierten: Cookie Mueller verstarb 1989 ebenso wie ihr Ehemann an AIDS. Der ebenfalls an AIDS erkrankte Drag-Performer Ethyl Eichelberger nahm sich 1990 das Leben, weil er die Krankheit und die Nebenwirkungen der Medikamente nicht mehr ertrug.
Hujar selbst erlebte ihr Ableben nicht mehr. Er war bereits im November 1987 der Seuche zum Opfer gefallen, gefolgt von seinem Partner Paul Thek im August 1988.
Jens Pecho, Same/Shame, 2019/22
Andy Warhol
Felix Gonzalez-Torres
Raum 3
Katherine Bradford
Die eindrucksvollen Gemälde von Katherine Bradford (*1942) sind leuchtende, üppige Kompositionen. Ihre Figuren, die keine individuellen Merkmale zeigen und weder männlich noch weiblich oder beides sind, bleiben vage, schweben im Raum und materialisieren sich nicht vollständig. Immer wieder begegnen uns Paare, die sich küssen, berühren, umarmen. Eine narrative Dimension wird angedeutet, gerade wenn Superheld*innen ihre bonbonfarbenen Bildwelten bevölkern. Weitergesponnen werden diese Erzählungen jedoch in unseren Köpfen: Katherine Bradford zeigt traumähnliche Situationen, die sich in Schwimmbecken, am Strand, im Nachthimmel oder Weltraum zutragen.
Raum 4
Martin Pfeifle, die heftige variante des lockerseins, 2023
Für die Kunsthalle Nürnberg hat Martin Pfeifle (*1975) eine raumgreifende Arbeit aus eigenwilligen Objekten entwickelt, die mit ihrem Titel auf Schernikau verweist und zugleich eine lustvolle Hinterfragung des durchschnittlichen deutschen Wohnzimmers beinhaltet. Farbige Möbelskulpturen besetzen den gesamten Raum: Die Stühle, Bänke, Hocker und Tische sind wie Charaktere, die sich einer eindeutigen Zuordnung entziehen und Vielfältigkeit repräsentieren. Als hybride Objekte konzipiert sind sie zugleich Skulptur, Installation, Möbel und Display.
Uneindeutigkeit als Potenzial. Der Moment der Verunsicherung ermöglicht das Aufbrechen von eingefahrenen Verhaltensmustern und Wahrnehmungsstrukturen. Auf Martin Pfeifles Objekten liegen Bücher und Magazine zu queeren Themen, auf Tablets können Filme und Dokumentationen angeschaut werden. Sobald die Besucher*innen den Raum betreten, in ihm verweilen und mit den Objekten interagieren, werden sie selbst zu Akteur*innen und damit Teil der Arbeit.
Raum 5: Jens Pecho // Mrzyk & Moriseau //Keith Haring // Navot Miller // Soufiane Ababri // Jochen Flinzer
Jens Pecho, Triptychon, 2015/23
Mrzyk & Moriceau, Untitled, 2023
Ihre Hauptmotive sind Menschen, Tiere oder eine Mischung aus beidem. Unbelebte Gegenstände erwachen zum Leben, menschliche Körperteile werden zu eigenständigen Charakteren. Es ist eine skurrile Welt, in der es von scharf beobachteten Alltagsabsurditäten und surrealen Wesen nur so wimmelt. Hier werden ernste wie auch weniger ernste gesellschaftliche Fragen behandelt, aber es geht auch um hochsensible Themen wie Religion, Sexualität und LGBTIQ.
Das Künstlerpaar Petra Mrzyk, (*1973 ) und Jean-François Moriceau (*1974) lebt und arbeitet in Montjean-sur-Loire (FR).
Keith Haring
Navot Miller
Meist porträtiert Navot Miller (*1991) mit strahlenden Farben in einem scheinbar widersprüchlichen Mix aus Elementen homosexueller und jüdischer Bildsprache. Diese Komponenten balanciert er mithilfe von melancholischen und voyeuristischen Stimmungen so aus, dass sich eine unerwartete Intimität ausbreitet.
Sein Arbeitsprozess beginnt immer mit seinen eigenen Erfahrungen, die er mittels Fotos oder Videos dokumentiert. Auch Instagram dient dem Künstler als vielschichtiges Archiv. Einige der Vorlagen für seine Werke zeigt er in seinem Feed im Kontext weiterer lebendiger Alltagsbeobachtungen. Um Javier in the morning after und Agu asleep in hotel casino Morelia dann auf die Leinwand zu bringen, collagiert er die Protagonisten mit neuen, vornehmlich architektonischen Elementen.
In Millers Werk spielen intime Begegnungen eine ebenso große Rolle wie Treffpunkte verschiedener Kulturen und Identitäten. Seine Gemälde verhandeln die eigene Kindheit voller Tabus in Israel sowie die Identifikation als schwuler Mann in Berlin – sehnsuchtsvoll und gleichzeitig unbeschwert.
Soufiane Ababri, Bedwork/Yes, I am, 2021
Die Tatsache, dass er zugleich Einwanderer, Homosexueller sowie Angehöriger einer postkolonialen Generation sei und dunkle Haut habe, ermögliche ihm einen anderen Blick auf die Dinge, erklärte Soufiane Ababri 2018 in einem Interview. Und so erzählen seine Arbeiten von den Erfahrungen einer queeren, post-migrantischen Gesellschaft, die zwar längst Realität, aber in den Medien und in der vorherrschenden Bildkultur noch immer stark unterrepräsentiert ist. Sein Bedürfnis, sich in einer historischen Familie zu verorten und eine Genealogie queerer Verwandtschaften zu konstruieren, manifestiert sich in seiner Serie Bedwork /Yes, I am, die rund 40 Arbeiten umfasst und eine Art Ahnengalerie bedeutender homosexueller Künstler, Musiker und Schriftsteller darstellt.
Jochen Flinzer, Galleria delle Carte Geografiche, 2000
Jochen Flinzer (*1959) hat sich in seinen vielfältigen Seiden- und Polyesterfadenarbeiten die Materialien und Techniken der Stickerei künstlerisch angeeignet, gequeert und dadurch ihrem Framing als Hobby höherer Töchter regelrecht entrissen. Der Mechanismus der Stickereien ähnelt wohl dem, was die Choreografin und Tänzerin Pina Bausch in ihren Aufführungen erreicht hat: Das klassische Medium des Balletts wird in zeitgenössische, freie Formen überführt, ohne dabei die professionellen Fertigkeiten der Tänzer*innen zu unterschlagen. Wie also jene ‒nur scheinbar ‒willkürlich durch die aufwühlenden Räume von Pina Bauschs Inszenierungen taumeln, fallen und wogen, so befreien und verselbstständigen sich Jochen Flinzers Nadelstiche von ihrer Tradition. Und dann, im Raum, beginnen sie zu tanzen.
Raum 6
Claus Richter
Im Ausstellungskontext entstehen häufig aufwendige Kulissenlandschaften: Das Basteln und Tüfteln an den teils auch mechanischen und elektronischen Komponenten sind für Claus Richter Herzensangelegenheit und Rückzugsmöglichkeit zugleich. Viele seiner Werke besitzen einen biografischen Bezug, so auch die Skulptur Roboter (2023), die sich auf eine Fotografie bezieht, die den zwölfjährigen Claus als Roboter (2023) zeigt. Im Werk des Künstlers finden sich vielfältige Protagonist*innen, die als Stellvertreter*innen für menschliche Emotionen, Ängste und Konflikte dienen. Die Kunstfigur des Roboters repräsentiert die Möglichkeit zur Weltflucht: raus aus dem kleinstädtischen Lippstadt und dem diffusen Gefühl, dass die Alltagsrealität kein passendes Rollenbild für den Heranwachsenden bereithält – hinein in eine Welt, in der es Raum für Fantasie, Theatralik und Andersartigkeit gibt und in der die kindliche Fähigkeit zu Selbstvergessenheit und Unvoreingenommenheit einen hohen Wert besitzt.
Raum 7
Barish Karademir & Walter Schütze, Darkroom
Barish Karademir (*1989) & Walter Schütze (*1970), geprägt durch ihre Erfahrungen am Theater, konzipieren einen Ausstellungsraum als immersive Bühne, die die Besucher*innen in eine düstere und zugleich reizvolle Parallelwelt entführt. Die Installation entstand in Zusammenarbeit mit den Videokünstler*innen Petra Pausch und Alexander Jopke.
Raum 8
Andreas Oehlert, Ohne Titel (h.c., Version B), 2023
Wir tauchen in eine mysteriöse Welt ein: Aus Jeansstoff genähte Säulen strukturieren den Raum und tragen eine raumfüllende Kassettendecke von gleicher Materialität. Durch einen umlaufenden Spalt fällt diffuses Licht und erzeugt eine Atmosphäre, die an die transitorische Tageszeit der Dämmerung erinnert. Auf jede der Säulen ist eine Hosentasche genäht, in die ein farbiges Tuch gesteckt wurde. Dies führt zu einer Individualisierung und Personalisierung der Säulen, die auch durch ihr weiches Füllmaterial einen organischen Charakter gewinnen. Die Wände des Raums sind in einem satten Grün gestrichen und zeigen drei Fotografien aus der Serie Stagebeauty: Ein Fuchs, eine Eule und ein Schwan – alle aus Porzellan – sind in rätselhaften, erotisch codierten Situationen zu sehen. Mit Ohne Titel (h.c., Version B) schafft Andreas Oehlert einen Raum, der vielfältige Assoziationen weckt: vom verwunschenen Märchenwald bis zu einer „Cruising Area“, in der Menschen nach Partner*innen für sexuelle Begegnungen suchen. Die physische Präsenz der Besucher*innen wird zu einem essenziellen Bestandteil der Installation, da der atmosphärische Säulenwald auch sie durch den Raum „cruisen“ lässt.