Zur Sammlung

Im Gegensatz zu musealen Sammlungen, die oft nach historischen oder wissenschaftlichen Gesichtspunkten zusammengestellt werden, setzen Privatkollektionen individuelle Akzente und reflektieren persönliche Leidenschaften. Sie gewähren einen tiefen Einblick in die Welt der sammelnden Person – eine Welt, die durch subjektive Vorlieben, Erlebnisse und Entdeckungen geprägt ist. Die Slg. Wilhelm Otto Nachf., mit der der Sammler an seine beiden Großväter Wilhelm und Otto erinnert, ist ein beeindruckendes Beispiel für eine solche, persönlich kuratierte Kollektion. 

Ihren Ursprung hat die Privatsammlung in Köln. In den 1980er-Jahren entwickelte sich die Stadt zum Zentrum der europäischen Gegenwartskunst. Dieses Umfeld war Nährboden und Impulsgeber für die Slg. Wilhelm Otto Nachf., die auch zahlreiche Werke heute international renommierter Kölner Künstler*innen umfasst. Die Sammelleidenschaft des Unternehmers beschränkt sich jedoch nicht auf die Kunstszene der Domstadt: Heute umfasst seine Sammlung eine beeindruckende Vielfalt an Werken international gefeierter Künstler*innen. Auch erstreckt sich die Sammlung über alle künstlerischen Gattungen: Neben imposanten Installationen finden sich in der Ausstellung zahlreiche Skulpturen, Fotografien, Videoarbeiten, Gemälde und Zeichnungen.

Zahlreiche Exponate scheinen eine ähnliche Haltung zu verkörpern: Sie beziehen politisch Stellung oder liefern scharfsinnige Kommentare zu aktuellen Phänomenen und komplexen gesellschaftlichen Diskursen, häufig gepaart mit Ironie und pointiertem Witz. Diese Haltung, die sich als eine Mischung aus konfrontativer Direktheit und subtiler Reflexion präsentiert, strahlt bisweilen eine rotzige Coolness und Anarchie aus, die an die Tradition der Kölner Heroen erinnert. Auch ihre Werke forderten immer wieder ästhetische Konventionen heraus und haben dabei konsequent die gesellschaftlichen Normen sowie die Grenzen der Kunst hinterfragt.

Für die Ausstellung Theatre of Speaking Objects wurden rund 90 Werke von 38 Künstler*innen und zwei Künstlerduos ausgewählt. Die Exponate sind thematischen Kontexten zugeordnet. So entfaltet sich eine vielfältige und multimediale Erzählung in sechs Kapiteln, die ganz neue Bezüge zwischen den Werken herstellt.

Raum 1: Human's Best Friends

Seit jeher sind Tiere nicht nur integraler Bestandteil der natürlichen Welt, sondern auch ein unverzichtbarer Aspekt der menschlichen Kultur, Literatur und Kunst. Schon in der Antike sind Tiere in mythologischen Erzählungen präsent, wo sie als Götter verehrt werden oder als treue Begleiter der Gottheiten fungieren und symbolisch für spezifische Kräfte, Eigenschaften und universelle Werte stehen. So wird Zeus in vielen Darstellungen von einem Adler begleitet, dessen majestätische Flügel und scharfer Blick Macht und Herrschaft verkörpern. Die Göttin Artemis ist oftmals an der Seite eines Hundes zu sehen, der nicht nur ihr treuer Gefährte bei der Jagd ist, sondern auch die Prinzipien Loyalität und Freiheit repräsentiert. In Homers Odyssee wartet der Hund Argos jahrzehntelang auf die Rückkehr seines Herrn Odysseus – ein Bild für die Treue und das enge Band zwischen Mensch und Tier, das über Zeit und Raum hinausgeht. Und auch im Christentum tummeln sich zahlreiche Tiere, wie der Löwe des Hieronymus, das Lamm des Johannes des Täufers und die Taube, die den Heiligen Geist repräsentiert. Zudem sind drei der vier Evangelisten mit Tieren verbunden, die jeweils die theologischen Schwerpunkte ihrer Evangelien symbolisieren. So steht Markus ein Löwe zur Seite, Lukas ein Stier und Johannes wird von einem Adler begleitet.

Auch in der Slg. Wilhelm Otto Nachf. finden sich zahlreiche Tierdarstellungen, welche die facettenreiche und komplexe Beziehung zwischen Mensch und Tier thematisieren: Während die beiden Videos des Künstlerduos Fischli/Weiss Hunde bzw. eine Katze als Begleiter der Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit thematisieren, visualisiert Uri Aran auf ergreifende Weise die enge Bindung zwischen einem trauernden Menschen und seinem ihn tröstenden Hund. Vögel als Symbol für die Freiheit, aber auch für Migration und den damit verbundenen Verlust der Heimat thematisiert Petrit Halilaj in seinen Werken. Doch auch Tiere, die weniger direkt mit menschlichen Emotionen assoziiert werden, finden ihren Platz im ersten Kapitel der Ausstellung Theatre of Speaking Objects: der Gorilla von Erwin Kneihsl, der in seiner körperlichen Präsenz und Intelligenz die Nähe zum Menschen widerspiegelt, feingliedrige Blattschneiderameisen von Jochen Lempert, die für Effizienz und Zusammenarbeit zu stehen scheinen, der einsame Ameisenbär von Marie-Audrey Ramirez, eine rotzige Variante des Dürerhasen von Georg Herold, ein gläserner Schmetterling und ein Haifisch von Jean-Marie Appriou – all diese Tiere eröffnen einen Dialog über menschliche Sehnsüchte, Ängste und die vielfältigen Herausforderungen des Lebens.