Die conditio humana beschreibt die existenziellen Fragen, die den Menschen seit jeher beschäftigen: die Suche nach dem Sinn des Lebens, das Bewusstsein über die eigene Vergänglichkeit, die Aus­einandersetzung mit Freiheit und Verantwortung, die komplexen Beziehungen innerhalb eines sozialen Gefüges. In Kunst, Literatur und Musik wurden diese universellen Themen auf vielfältigste Weise reflektiert. Michelangelo stellt den Menschen in der Erschaffung Adams als schöpfungsfähiges Wesen dar, das zwischen göttlicher Bestimmung und eigenem Willen schwankt. Francisco de Goya zeigt in Die Erschießung der Aufständischen die Brutalität des Menschen und die Tragik des Krieges. Goethes Faust philosophiert über den existenziellen Drang nach Wissen und Erfüllung, während Kafka in Der Prozess die Absurdität und Entfremdung des modernen Lebens aufzeigt. In Beethovens Sinfonie Nr. 9 und in der Ode an die Freude findet das Streben nach einer universellen menschlichen Einheit und die Suche nach einem transzendenten Sinn, der das individuelle Leben übersteigt, seinen Ausdruck.

Die Exponate der beiden Ausstellungsräume The Human Condition thematisieren die Komplexität unserer Existenz – besonders in einer Welt, die zunehmend von digitalen Medien und rasanten sozialen Veränderungen geprägt ist. Auch zeigen sie, wie Identität, Geschlecht und das Selbst konstruiert werden – Konstrukte, die im ständigen, oft widersprüchlichen Dialog mit gesellschaft­lichen Normen stehen. Werke von Miriam Cahn, Jürgen Klauke, Christopher Makos, Cindy Sherman und Katharina Wulff beleuchten die Fluidität und die ständige Verhandelbarkeit von Identitäten und Rollen. Auch Wolfgang Tillmans setzt sich in seinen Fotografien mit der Frage nach sozialer Normativität und dem Einfluss von Gemeinschaften auf das Individuum auseinander und eröffnet neue Perspektiven auf Zusammengehörigkeit und soziale Bindungen.

Bei Kris Lemsalus Figuren ist ein narrativer Übergang ins Animalische Teil des Konzepts, denn sie stellt in ihrem Werk konsequent die Frage nach einer gleichwertigen, tierischen Perspektive: So sitzen sich die beiden Wesen – in menschlicher Manier – leicht diagonal auf Stühlen gegenüber, die Köpfe sind eine Hunde- und eine Katzenmaske, die Füße bunt bemalte Sneaker, der Körper ist eine Wolldecke. Beide strecken uns – und sich gegenseitig – die Zunge entgegen, der rechte Sneaker des Hundes ruht im Schritt der Katze, eine Körperhaltung, die erotische Assoziationen weckt.

Die beiden Videoarbeiten von Ed Atkins in Raum 3 verbinden digitale Animationen mit poetischen Texten, um die Grenzen zwischen Realität und virtuellen Welten zu verwischen. Sie thematisieren Vergänglichkeit, Erinnerung und das digitale Selbst – ein immer relevanteres Thema in einer Zeit, in der das digitale Leben zunehmend mit der physischen Existenz verschmilzt. Gregor Schneiders Werk Tote Frau konfrontiert uns direkt mit der Präsenz des Todes, während Petrit Halilaj die Vergänglichkeit auf sehr poetische Weise darstellt: In einer Raumecke wurde ein Berg aus Federn aufgeschüttet, die aus dem Kopfkissen eines geliebten Menschen stammen: Untitled (For my father) erzählt von Nähe, Erinnerung und den Spuren, die wir hinterlassen.