Mit seiner Idee der Wohnmaschine verstand Le Corbusier Architektur als funktionale Antwort auf das wachsende Bedürfnis nach urbaner Verdichtung. Ziel war es, einen einfachen und effizienten Wohnstandard zu entwickeln, der vielen Menschen ein besseres Leben ermöglichte. Auch das Bauhaus setzte auf Funktionalität und klare Linien, da Walter Gropius überzeugt war, dass gutes Design das Leben der Menschen verbessern würde. Robert Venturi hingegen plädierte für eine Rückkehr zur Komplexität und Mehrdeutigkeit der Architektur, und heutige Architekturkonzepte berücksichtigen vielfach das Bedürfnis nach Modularität, Flexibilität und der Integration von Natur. Ob in der Rationalität der Moderne, der Komplexität der Postmoderne oder dem gegenwärtigen Bedürfnis nach Nachhaltigkeit – Architektur bleibt stets ein Werkzeug sozialer Veränderung.

Alternative Architekturen und künstlerische Kommentare zu bestehenden Architekturutopien finden sich bei Künstler*innen wie Jan de Cook, Isa Genzken und Johannes Wohnseifer. Letzterer verbindet in seiner Arbeit den ikonischen Barcelona-Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe mit dem standardisierten Design einer McDonald’s-Filiale. Diese Verschmelzung hinterfragt die Vorstellung von Architektur als idealisierte, universelle Lösung und kommentiert zugleich die Entfremdung, die durch Massenkultur und globalisierte Normen entsteht. In seiner Installation Heimatlied konstruiert Michael Sailstorfer eine Wohneinheit aus vier Wohnwagen und verwandelt die mobilen, temporären Behausungen in eine feste, funktionale Einheit, die alle grundlegenden Elemente eines Zuhauses vereint. Durch diese Transformation stellt Sailstorfer die Frage nach dem Begriff der „Heimat“ in einer Welt, die zunehmend von Mobilität und temporären Lebensweisen geprägt ist. Die Gebäude in den Fotografien von Jörg Sasse halten der Realitätstreue der menschlichen Erinnerung nur bedingt Stand. Handelt es sich doch hierbei um sorgfältig konstruierte Gebilde, deren Vorlagen der Künstler in Archiven oder auf Flohmärkten findet und in einem aufwendigen Prozess verfremdet. Das so veränderte Material wird erneut fotografiert und erhält seinen Titel durch eine per Zufallsgenerator ermittelte Zahlenkombination, die den konzeptuellen Entstehungsprozess der Arbeiten ebenso widerspiegelt. Gregor Schneider hingegen betrachtet Architektur nicht nur als räumliches Konstrukt, sondern als Erfahrungsraum. Seit den 1980er-Jahren widmet sich der Künstler der Transformation bestehender Gebäude, indem er deren Atmosphäre und Wahrnehmung verfremdet. Eines seiner frühesten und bekanntesten Werke ist Haus ur, ein Projekt, das der Künstler bereits im Alter von 16 Jahren begann. Ursprünglich als Ort der Geborgenheit und Sicherheit gedacht, wird das Haus ur durch seine Bearbeitung zu einem verstörenden Raum. Amorphe Röhren, wulstige Objekte, stilisierte Wellen, Lichtpunkte und nebelige Flächen formieren sich in den Gemälden von Andreas Schulze eigentümlichen Landschaften, Architekturen und Interieurs. Allerlei Alltagsobjekte bilden die Bühnen für Welten, in denen Vertrautes auf einmal fremdartig erscheint und sich hintersinniger Humor mit Abgründigkeit verbindet. Auch das Gemälde Totenkopf (1989) sorgt bei genauerer Betrachtung für unterschwellige Beklommenheit. Es zeigt die Aufsicht einer Architektur, die in ihrer Form an das Kreuz einer Spielkarte erinnert, in deren Mittelpunkt ein Totenkopf, das zentrale Symbol des Memento mori, zu sehen ist. All diese künstlerischen Auseinandersetzungen mit Architektur verdeutlichen, dass der Raum, in dem wir leben, weit mehr ist als nur eine physische Hülle – er ist ein Spiegel unserer Wünsche, Ängste und sozialen Dynamiken, der sich in ständigem Dialog mit den Veränderungen in Gesellschaft, Kultur und Umwelt befindet.