Erscheint die Außenwelt als nicht gestaltbar, so gilt es, zumindest das persönliche Umfeld nach dem eigenen Ideal zu entwerfen. Wir erleben derzeit eine Renaissance des Wohnens, und die Kunst der Einrichtung ist zu einer ausgesprochen diffizilen Disziplin geworden. Das Interieur erscheint in diesem Kontext als ein Ort der Selbstinszenierung und -repräsentation, als Bühne für eine soziale wie kulturelle Selbstmodellierung. Das Interieur kann ebenso zur Metapher für die psychische Innenwelt und emotionale Verfasstheit der Bewohner*innen werden. Es kann als Medium der privaten Erinnerung und Vergegenwärtigung der eigenen Herkunft fungieren, aber auch eine kulturelle Memorialfunktion des Raums aufzeigen. Es kann Idylle wie Krise symbolisieren, und es kann die gesellschaftspolitische Frage stellen, was der Mensch zum Leben wirklich braucht.

Die Räume 6 und 7 zeigen eine Reihe von Werken, die sich mit Wohnräumen und ihren bisweilen skurrilen Einrichtungsgegenständen assoziieren, jedoch in ihrer Bedeutsamkeit weit über gemeine Wohnaccessoires hinausgehen. So schuf Tobias Rehberger aus farbenfrohem Polyurethan-Schaum eine appetitlich aussehende Blumenvase. Das eher als Baustoff bekannte, schnell aushärtende Füllmaterial erzeugt ein wolkig abstraktes Volumen. Gemeinsam mit einem üppig blühenden Kirschblütenzweig wird das Ensemble zu einem indirekten Porträt für den Künstlerfreund Michel Majerus. Eine Vase als „Klassiker“ unter den Einrichtungsobjekten spielt auch in der vierteiligen Fotoserie Vasen-Ekstase von Anna und Bernhard Blume eine tragende Rolle. Nicht länger ist sie nur dekoratives Einrichtungsobjekt, sondern wird zur Hauptakteurin in einer ebenso surrealen wie humorvollen Inszenierung. Der Pilz, vielfach menschengroß und aus Stoff genäht, gehört zu den beharrlich wiederkehrenden Motiven im Werk von Cosima von Bonin. In ihrer Vielfalt wirken die Pilze wie Individuen und tatsächlich hat die Künstlerin frühen Versionen oft Namen gegeben. Alle Pilze haben den Titel Therapy, wobei offenbleibt, ob von ihnen eine therapeutische oder eher eine halluzinogene Wirkung. Björn Braun erforscht sein Material hinsichtlich seines Transformationspotenzials. Vogelnester werden so umgestaltet, dass sie die Form eines industriell gefertigten Eierkartons nachbilden. Durch diese Umwandlung verschiebt der Künstler die Bedeutung der Materialien: Ein Vogelnest, das normalerweise als natürlicher Schutzraum dient, wird in die Form eines Verpackungsprodukts gepresst, das uns Menschen zum Transport der essbaren Ware dient.

Auch Wandteppiche und Ikebana, die japanische Kunst des Blumenarrangierens, gehörten in den vergangenen Jahrzehnten zu wiederkehrenden Einrichtungstrends. Monica Bonvicini und Manfred Pernice zitieren diese Kulturtechniken, doch diese erfahren in ihren Werken eine gezielte Umdeutung. Und so wie die schwarzen Ledergürtel in Monica Bonvicinis Wandobjekt Untitled Macht und Kontrolle assoziieren, erinnern auch die drei Objekte von Eva Koťátková an disziplinierende Käfige. In ihrer Form von alltäglichen Möbelstücken inspiriert, regen sie zur Reflexion über autoritäre und reglementierende Strukturen an. Die Künstlerin nutzt diese scheinbar funktionalen Möbel, um auf die erzieherischen und bildenden Systeme hinzuweisen, die oft in gesellschaftlichen und pädagogischen Kontexten existieren und den Einzelnen in enge, normierte Bahnen lenken sollen. 

Auch Eva Koťátkovás Installation Theatre of Speaking Objects, ein Langzeitprojekt der tschechischen Künstlerin, setzt sich mit der Isolation von Individuen auseinander, die aufgrund ihrer Unfähigkeit zur verbalen Kommunikation außerhalb der gesellschaftlichen Normen stehen. Ein hölzernes Wandregal ist bestückt mit Collagen, Cut-Outs und Fotografien, die Menschen und Tiere in geometrische Formen einfangen. Diese Formen erinnern an einengende, nahezu klaustrophobische Architekturen, die den dargestellten Subjekten den Raum zur freien Entfaltung nehmen. Die Linien, die diese Figuren umschließen, suggerieren einen visuellen Raum, der gleichzeitig Schutz und Einschränkung bedeuten kann. 

Diese historische Referenz dient der Künstlerin als Ausgangspunkt, um die Möglichkeiten und die Symbolik von Kommunikation und Ausdruck zu hinterfragen – insbesondere jener, die nicht durch Sprache, sondern durch nonverbale Mittel ausgedrückt werden. Im Kontext der Ausstellung fungiert der Titel Theatre of Speaking Objects als universelle Metapher für die gezeigten Exponate. Obwohl auch diese nicht in der Lage sind, verbal zu kommunizieren, erzählen sie dennoch auf ihre eigene, außergewöhnliche Weise faszinierende Geschichten.