Die Natur und ihr kontinuierlicher Wandel nehmen in Kunst und Kultur einen unverrückbaren, oftmals nahezu mystischen Stellenwert ein. Denn die Beobachtung der natürlichen Welt hat den Menschen stets dazu inspiriert, über seine Existenz, seine komplexe Verflechtung mit der Umwelt und die ständige Veränderung des Lebens nachzudenken. Die künstlerische Darstellung der natürlichen Welt gibt die Möglichkeit, emotionale Zustände und gesellschaftliche Umbrüche zu visualisieren und sich mit den Hinterlassenschaften des Menschen auseinanderzusetzen, die sicht- und erfahrbar werden, wenn er in natürliche Prozesse eingreift. Vom idealisierten Landschaftsbild bis hin zur dramatischen Schilderung von Naturkatastrophen: Die Landschaft ist stets ein Spiegel innerer Welten, Sehnsüchte und Ängste, sie symbolisiert Heimat, Identität und Geschichte und verkörpert mit ihren Zyklen von Geburt, Wachstum, Verfall und Erneuerung auch die menschliche Existenz. 

Hiroshi Sugimoto nutzt die Natur in seinen Fotografien immer wieder als Medium für poetische Reflexionen über die Zeit. Diese wird zu einer oft unsichtbaren, aber unaufhaltsamen Kraft, die die natürliche Welt transformiert. Durch seine Langzeitbelichtungen lässt der japanische Künstler die Betrachter*innen Veränderungen eher intuitiv wahrnehmen, als dass diese konkret sichtbar wären. In seiner Serie Time Exposed widmet sich Sugimoto dem Horizont als zentrales Motiv: Zwischen 1980 und 1991 dokumentierte er diesen immerwährenden Grenzraum aus 50 unterschiedlichen Perspektiven, die er auf seinen Reisen über die Weltmeere eingefangen hat.

Auch in der filmischen Arbeit Baumanalyse von Julius von Bismarck spielt die Zeit eine zentrale Rolle. Stundenlang umkreist der Künstler eine Eiche und ritzt mit einem Taschenmesser in das Holz, bis der Baum fällt. Eine Tätigkeit, die mit einer Kettensäge in wenigen Minuten vollbracht wäre, wird zu einem Tagwerk, das eine kontemplative Dimension erhält. Durch dieses langsame und bewusste Handeln entfaltet sich eine tiefe Auseinandersetzung mit der Zeit und der Natur. In seiner Fotografie Landscape Painting (Quarry day) setzt von Bismarck seine Auseinandersetzung mit der Natur fort. Während viele Künstler der Kunstgeschichte – von Albrecht Dürer und Caspar David Friedrich bis hin zu Gustave Courbet, William Turner, Paul Cézanne und Paul Klee – den Steinbruch als Bildmotiv nutzten, geht von Bismarck einen Schritt weiter. Statt den Steinbruch zu malen, bemalt er ihn selbst und greift so aktiv in die Landschaft ein. Dadurch verleiht er dem Raum eine neue Dimension, die das Verhältnis von Mensch und Natur sowie die Frage nach der künstlerischen Intervention in die Umwelt hinterfragt.

In den Bildräumen von Norbert Schwontkowski sind die vereinzelten Figuren auf ein assoziatives Minimum reduziert: Die Vögel im gleichnamigen Bild sind lediglich amorphe Kleckse, die erst durch die kahlen Baumwipfel ihre Bedeutung und Erkennbarkeit erhalten. In der Hornochsenherde – ein Tier, das ausschließlich in den endlosen, hitzigen Steppen der menschlichen Beleidigungen existiert – erkennt man die schwarzen Silhouetten als Rindviecher, davor spaziert eine menschliche Figur mit Speer. Wohl am rätselhaftesten in der Werkgruppe bleibt Schwontkowskis Gemälde Untitled von 2004: Eine menschliche Figur hält sich an einem langen Seil fest, vor goldockerfarbenem Hintergrund, der Schatten auf dem konturlosen Boden zeigt, dass sie schwebt. Hält sie sich fest, oder etwas, das wir nicht erkennen können?

Zur Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König ein Katalog mit Abbildungen aller ausgestellter Werke sowie einem Vorwort von Harriet Zilch und Texten zu allen Künstler*innen in der Ausstellung von Stephanie Braun, Ramona Heinlein, Anne Schloen, Marian Wild, Silvan Wilms und Harriet Zilch.