Oliver van den Berg. Blinde Passagiere

4. März - 4. Juni 2023

Oft entstehen technologische Innovationen, weil Menschen nach Lösungen für Aufgaben suchen, die sie nicht oder nicht effizient bewältigen können. Jede technologische Neuerung ist somit auch ein Sinnbild für die Phantasie der Menschen, für ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten wie Unzulänglichkeiten.

English version

Tickets zur Ausstellung

Oliver van den Berg (* 1967 in Essen; lebt und arbeitet in Berlin) wurde durch Skulpturen und Installationen bekannt, die von technischen Instrumenten wie Flugschreibern, Radargeräten, Sternenprojektoren oder Mikrofonen aus­gehen. Seine Vorbilder aus diversen Gebieten der Technik, der Unterhaltungs- und Medienindustrie, der Raum- und Luftfahrt oder der Kriegsführung übersetzt er in Skulpturen mit technoider Anmutung. Oft verwendet Oliver van den Berg für seine Skulpturen Nadelhölzer und damit ein traditionelles, bildhauerisches Material. So „kopieren“ seine Werke existierende Gegenstände, die nun ihrer Funktion und ursprünglichen Materialität beraubt sind, und als artifizielle Objekte zwischen Original und Abbild mäandern. Die Werke sind stets Zitate und Variationen von Bestehendem, der Fokus seiner bildhauerischen Arbeit kreist um die Themen Abbildung, Wiederholung und Nachahmung. Zugleich stehen seine Skulpturen jedoch immer auch für eigene Formschöpfungen, denn sie sind unitäre Aneignungen und individuelle Neuinterpretationen. Objekte verändern sich, wenn sie beispielsweise ihre technische Funktion verlieren oder sich ihre Materialität wandelt. Plötzlich stellen die Objekte neue Fragen. Fragen, auf die wir keine Antworten haben, selbst wenn sich unzählige Mikrofone auf uns richten:

Nur wenige Kunstwerke versetzen uns als Betrachtende derart unmittelbar in eine hypothetische Handlungs­situation wie Oliver van den Bergs Installation Mikros aus dem Jahr 2006. Die handgefertigten Mikrofone sind auf ihre prototypische Form reduziert. Ergänzt durch Stative und Tische inszeniert der Künstler ein heterogenes Geräte-Ensemble und zugleich ein imaginäres Medienereignis. Alle Mikrofone richten ihre kon­zentrierte Aufmerksamkeit auf eine Leerstelle, sodass wir selbst zur Nachricht des medialen Großereignisses werden. Bewegen wir uns jedoch durch den Ausstellungsraum werden wir zu Kompliz*innen des hölzernen Ensembles, das als Paraphrase der Medienwirtschaft mit ihrem nicht zu stillenden Hunger nach Information gelesen werden kann.

Das für die Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg titelgebende Werk Blinder Passagier (2004) sowie der Sternenprojektor (2005) besitzen Parallelen zur Installation Mikros. Hinsichtlich der Farbigkeit, Lackierung sowie Oberflächenbeschaffenheit ist Blinder Passagier die täuschende Kopie eines Flugschreibers. Doch durch seine hölzerne Materialität wird die Funktion als Informationsspeicher unterlaufen. Der Flugschreiber wird zu einer hermetischen Blackbox, die keinerlei Information und Erkenntnis bereithält. Der gigantische Sternenprojektor ist das Abbild eines Gerätes, das in Planetarien genutzt wird, um den Sternenhimmel aus der Erdperspektive darzustellen. Als Nachbau aus Birkenschichtholz wird Oliver van den Bergs Sternen­projektor zu einem eindrucksvollen Körper im Raum, dessen skulpturale Qualität in den Fokus tritt. Statt als Bildprojektor zu dienen ist er nun selbst Abbild und Gegenstand der Betrachtung.

Die Kunsthalle Nürnberg präsentiert mit der Ausstellung Oliver van den Berg. Blinde Passagiere eine breite Auswahl seiner Werke aus den vergangen zwei Jahrzehnten. Im Snoeck Verlag ist die Monografie Oliver van den Berg: Werke erschienen (376 Seiten mit rund 500 Abbildungen, Leinenband bedruckt, ISBN 978-3-86442-382-6, 78 Euro).

Tickets

Oliver van den Berg. Stowaways
4th March until 4th June 2023

Technological innovations often occur because people are looking for solutions to tasks they cannot deal with, or at least not efficiently. Thus, every technological innovation is also symbolic of people’s imagination, of their mental and physical abilities as well as inadequacies.

Oliver van den Berg (* 1967 in Essen; lives and works in Berlin) became known for his sculptures and installations based on technical instruments such as flight recorders, radars and star projectors. He translates these into sculptures with a technoid feel. His models from various fields of technology, space and aviation, as well as warfare, are robbed of their function and materiality. Oliver van den Berg often uses softwoods for his sculptures; a traditional sculptural material. In this way, his works “copy” existing objects and yet they are artificial hermaphrodites, meandering between original and copy. Oliver van den Berg’s works are always quotations and variations of existing objects; his sculptural work revolves around the themes of reproduction, repetition and imitation. At the same time, however, his sculptures will always represent his own formal creations, since they are undiminished appropriations and individual reinterpretations. Objects change, for example, when they lose their technical function or their materiality is altered. Suddenly, they pose new questions. Questions to which we have no answers, even when faced by countless microphones:

Few works of art put us, the viewers, so directly into a hypothetical situation of action as Oliver van den Berg’s installation Micros from 2006. The hand-made microphones are reduced to their prototypical form. Supplemented by stands and tables, they are used by the artist to stage a heterogeneous ensemble of devices as well as an imaginary media event. All the microphones direct their concentrated attention towards a blank space, so that we ourselves become the news feature of this major media event. However, when we move through the exhibition space, we turn into accomplices of the wooden ensemble, which can be read as a paraphrase of the media industry with its insatiable appetite for information.

Stowaway (2004), the work behind the exhibition title at Kunsthalle Nürnberg, and Star Projector (2005) display a number of parallels to the installation Micros. In terms of colour, paint and surface texture, Stowaway is a deceptive copy of a flight recorder. But its wooden materiality undermines its function as an information storage device. The flight recorder becomes a hermetic black box holding no information or knowledge. The gigantic Star Projector is the image of a device used in planetariums to display the starry sky from the earth’s perspective. As a replica made of birch plywood, Oliver van den Berg’s Star Projector becomes an impressive body in the room; now, its sculptural quality is what comes into focus. Instead of serving as an image projector, it is an image in itself – an object of contemplation.

With the exhibition Oliver van den Berg. Stowaways, Kunsthalle Nuremberg is presenting a wide selection of his works from the past two decades. Snoeck Verlag has published the monograph Oliver van den Berg: Works (376 pages with around 500 illustrations, clothbound, ISBN 978-3-86442-382-6, 78 euros).

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